Lächelnd und winkend standen sie am Mittwoch nebeneinander auf der Erde, Freitagfrüh kamen sie auf der Internationalen Raumstation ISS – einer der Orte, wo US-Amerikaner und Russen problemlos zusammenarbeiten können – an: Der Emirati Sultan Al-Neyadi, die beiden US-Amerikaner Stephen Bowen und Woody Hoburg sowie der Russe Andrej Fedjaew werden gemeinsam mehr als 200 Experimente durchführen. Dann und wann werden sie einen Blick auf die etwa 400 Kilometer entfernte Erde werfen. Doch der Krieg, der dort in der Ukraine tobt, ist näher. Er ist bereits im All.
Denn für beide Seiten spielen Satelliten eine wichtige Rolle – in der Informationsgewinnung, der Kommunikation, der Navigation von Drohnen und Raketen. Sowohl vor als auch während des Krieges zeigten die Satellitenbilder das Ausmaß und die Bewegungen der russischen Armee von einem Moment zum anderen. Nach wie vor bietet diese Art der Aufklärung der Ukraine einen großen Vorteil – etwa, um eine etwaige neue russische Invasion im Norden des Landes vorherzusehen. Ohne Satelliten könnte aber auch Moskau keine Shahed-Kamikazedrohnen mehr gen Kiew schicken oder Marschflugkörper abfeuern.
Und dann ist da noch Starlink. Der Satelliteninternetdienst von Elon Musks Firma SpaceX ist nach wie vor ein wichtiger Kommunikationskanal der ukrainischen Streitkräfte. 3.580 Starlink-Satelliten befinden sich derzeit im All – in den kommenden Jahren könnten es bis zu 42.000 werden.
Die Macht der Privaten
Wie sehr Musk seine Macht im All ausbaut, zeigen die zahlreichen Raketenstarts allein im Jahr 2022: 61 – so viele wie die Sowjetunion 1980 ins All beförderte. Auch dass die vier Astronauten mit der Raumkapsel „Crew Dragon“ aus dem Hause SpaceX zur ISS gelangten, zeigt den Status Musks. Doch auch Unternehmen wie Boeing greifen nach den Sternen. „In den vergangenen sechs Jahren sind zu den staatlichen Akteuren auch Private dazugekommen“, sagt General Haruhiko Kataoka, Vizepräsident des Japanischen Instituts für Weltraum und Sicherheit, zum KURIER.
Dass der kommerzielle Starlink-Dienst militärisch genutzt wird, sieht Kataoka als klassisches Beispiel für das „unvermeidliche Schicksal“ der Verflechtung zwischen ziviler und militärischer Technologie. „Ein guter kommerzieller Satellit kann mittlerweile Aufnahmen mit einer Auflösung von 30 mal 30 Zentimeter machen. Fragen Sie mich nicht, was ein militärischer kann“, lacht er mit bitterem Unterton. Es wäre durchaus ein Leichtes, die Satelliten eines anderen Staates lahmzulegen: Ob durch Hackerangriffe oder eigene Raketen – die USA, Russland, China und Indien verfügen bereits über sogenannte „ASAT“-Waffen, Anti-Satelliten-Raketen, mit denen sie feindliche Trabanten von der Erde aus unschädlich machen könnten.
Massives Chaos
Und das hätte erhebliche Folgen, nicht nur auf dem militärischen Sektor: Flugzeuge, Navigationssysteme, Schiffe und vieles mehr verlassen sich auf Satellitensignale. Ohne sie käme es zu massivem Chaos im Alltag. „Sollte es je passieren, dass die USA und China Krieg führen, käme es zuerst zu Attacken auf Netzwerksysteme und alle orbitalen Satelliten. Mit all seinen Folgen“, sagt Kataoka. Kalkulationen zufolge würden allein die USA durch einen GPS-Ausfall pro Tag eine Milliarde Dollar verlieren.
Es würde die USA keine große Anstrengung kosten, die russischen Satelliten auszuschalten – doch auch dies hätte fatale Folgen. Bereits in den ersten Kriegstagen hätte Moskau mit Vergeltung gedroht, hätten die USA etwas in diese Richtung unternommen, heißt es in Sicherheitskreisen.
Beide Staaten wissen seit Beginn des „Space Race“ in den 50er-Jahren: Wer den Weltraum dominiert, dominiert die Welt. Mit China und Indien sind weitere Konkurrenten dazugekommen, doch zahlreiche weitere Staaten wie Frankreich, Südkorea oder der Iran unterhalten eigene Weltraum-Waffengattungen.
NATO-Beistandspflicht
Die NATO weitete 2019 die geltende Beistandspflicht auf den Weltraum aus, was allerdings nicht bedeutet, dass in Bälde Sternenzerstörer oder TIE-Fighter wie bei Star Wars durch den Weltraum fliegen werden. Der noch heute gültige Weltraumvertrag von 1967 würde sie ohnehin verbieten. Auch Militärstützpunkte auf dem Mond sind untersagt.
Ein weiterer Grund, der gegen All-Schlachten spricht: Abgeschossene Flugkörper würden rasch zu einer großen Gefahr für alle Nationen im Weltraum.
Als China im Jahr 2007 zu Testzwecken einen eigenen Satelliten abschoss, wurden 3.000 Trümmerteile in die Umlaufbahn geschleudert. Eine Million einzelner Teile an Weltraummüll zwischen einem und zehn Zentimetern umkreisen derzeit die Erde – bereits ein drei Zentimeter langes Trümmerstück könne massiven Schaden bei Druckkabinen anrichten.
Auf Jahrzehnte gefährlich
Haben Satelliten, Sonden oder sonstige Ausrüstung ausgedient, werden sie zumeist nicht zurück auf die Erde geholt, sondern fliegen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit um die Erde – bis sie in der Atmosphäre verglühen. Dieser Prozess kann jedoch einige Jahrzehnte dauern.
Auch die ISS ist dem Weltraummüll ausgeliefert. Jedes Jahr sind einige Ausweichmanöver notwendig, 2020 kam es laut der russischen Staatsagentur Tass zu mehr als 220 gefährlichen Begegnungen zwischen ISS und Müllteilen. Im November 2021 musste sich die ISS-Besatzung in zwei Raumschiffen in Sicherheit bringen: Russland hatte einen ausgedienten Satelliten abgeschossen, dabei entstanden laut US-Streitkräften 1.500 nachverfolgbare Trümmerteile. Diese einzusammeln, ist (derzeit) eine unlösbare Aufgabe.
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