Krieg um Sputnik-Kauf: Politisches Kasperltheater in der Slowakei
„Ich gratuliere, ihr Idioten!“: Für einen Finanzminister und gerade erst abgetretenen Regierungschef ist das eine doch ruppige Ausdrucksweise. Doch Igor Matovic konnte sich auf Twitter ohnehin schon länger nicht mehr zurückhalten. Vor allem seit der rechtskatholische Populist vor zehn Tagen sein Amt als Regierungschef losgeworden ist.
Jetzt sitzt er als Finanzminister in einer personalmäßig durchgerührten Regierung, die weiterhin nicht regiert, sondern sich gegenseitig mit Leidenschaft die Köpfe einschlägt.
Auf eigene Faust bestellt
Auslöser des ganzen Theaters war eine Bestellung des russischen Impfstoffes „Sputnik V“, die Matovic so ziemlich auf eigene Faust an seinen Regierungskollegen und an den Gesundheitsbehörden vorbei durchzog. Zwei Millionen Dosen orderte der Premier, und um den ohnehin brüskierten Kollegen aus der Koalition noch eine lange Nase zu drehen, empfing Matovic die erste Lieferung persönlich und mit ordentlicher Zeremonie in der Stadt Kosice.
Regierung gesprengt
Der provokante Alleingang sprengte die ohnehin heillos zerstrittene Regierung endgültig. Nach einigen Ministerrücktritten musste Matovic auch abtreten und flüchtete sich in einen Ämtertausch mit Finanzminister Eduard Heger.
Der Mann, der den Aufstand gegen Matovic anführte , ist kein Anfänger beim Sprengen von Regierungen. Der Unternehmer Richard Sulik und seine liberale SaS-Partei brachten schon vor Jahren ein Kabinett zu Fall, diesmal legte Sulik seinen Posten als Vizepremier nieder, allerdings nur unter der Bedingung, dass Matovic sofort das Gleiche tue.
„Keiner weiß, was drin ist“
Der rettete sich ins Finanzministerium und ließ seine Sputnik-Bestellung quasi herrenlos zurück. Während man also rätselte, wie man mit dem Impfstoff weiter verfahren sollte, platzte mitten in das politische Tauziehen die Meldung jenes slowakischen Gesundheitsinstitutes, dem man die Überprüfung des Impfstoffes anvertraut hatte. Die erklärten, dass ihnen Russland nicht ausreichend Daten über Sputnik geliefert habe, daher könne man keinen Einsatz befürworten.
Noch mehr Aufsehen aber erregte die Anmerkung, dass der Impfstoff, den man zur Überprüfung bekommen habe, nicht mit dem übereinstimme, den andere Institute untersucht hätten. Überhaupt seien Herkunft und Zusammensetzung unklar. Die Sputnik-Impfstoffe, die inzwischen in 40 Länder geliefert wurden, hätten wohl „nichts gemeinsam außer den Namen“.
Ein Fressen für Richard Sulik, der sich umgehend zu Wort meldete: „Niemand hat eine Ahnung, was da drin ist in diesen Ampullen.“
Solche Unterstellungen wollte man sich wiederum in Moskau nicht gefallen lassen. Das Institut, das die slowakische Regierung mit der Überprüfung beauftragt habe, sei dafür überhaupt nicht qualifiziert. Man fordere umgehend die Rückerstattung des Impfstoffes, der Vertrag sei damit aufgekündigt.
Reise nach Moskau
Matovic beschloss einen weiteren Alleingang und reiste am Donnerstag nach Moskau. Er wolle den Vertrag und damit das slowakische Impfprogramm retten. Die Begleitmusik dazu lieferte er per Twitter: Jene, die Sputnik kritisiert hätten, „haben die Gesundheit von einer Million Slowaken als Geisel genommen.“ Matovic blieb bei seiner Rückkehr aus Moskau am Freitag wortkarg und meinte nur, er habe „die Tür zu den Russen offen gehalten.“
Präsidentin bleibt wortkarg
Wortkarg bleibt auch Staatspräsidentin Zuzana Caputova. Die Liberale, die für die Slowaken als Symbol für das Ende einer jahrelang von Postenschacher und Korruption geprägten Politik galt, beschränkte sich darauf, Matovic für seine groben Äußerungen zu rügen. Der aber hat schon das Thema für die nächsten Schlammschlachten vorgelegt: Bei dem ganzen Streit gehe es nicht um die Gesundheit der Slowaken, sondern um ein „schmutziges geopolitisches Spiel“.
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