Die bunten Ballons an der Decke der Babykrippe im Kibbuzdorf Nir Os stehen in Kontrast zu ihrer Umgebung. Noch immer sind die Spuren der brutalen Zerstörung nach dem blutigen Massaker der Hamas-Terroristen am 7. Oktober sichtbar. Trotzdem wird hier der allererste Geburtstag von Kfir Bibas gefeiert. Mit Ballons, Kuchen und Liedern – aber ohne Kfir. Das Baby wird, genauso wie seine Mutter Schiri und der vierjährige Bruder Ariel, bis heute von der Hamas als Geisel gefangen gehalten. Wie über 20 weitere Bewohner des Kibbuz. Ob sie nach über 100 Tagen Krieg alle noch leben, ist unklar.
Am Rande der Feier steht Jishar Lifschitz, dessen 80-jähriger Vater Oded ebenfalls entführt wurde. Der Sohn macht sich vor der eingeladenen Weltpresse Sorgen: "Krieg und Geiselbefreiung – die gehen nicht zusammen. Es ist traurig. Der Krieg geht weiter, die Geiseln sterben. Darum ist die Rückkehr der Geiseln das Wichtigste."
Jishar sorgt sich um die Gesundheit seines Vaters. Der braucht Medizin – Blutdruck, Asthma, Magengeschwür. In einem Clip, den die Hamas ins Netz stellte, sah er abgemagert und krank aus. Bislang konnte das Rote Kreuz keine Medikamente überstellen.
Israel ist völkerrechtlich verpflichtet, die medizinische Versorgung der Zivilisten im Gazastreifen zu unterstützen. Die Hamas als "nichtstaatliche Organisation", sprich Terrorgruppe, ist es nicht. Katar und Frankreich haben für Donnerstag eine große Medikamentenlieferung in den Gazastreifen organisiert. Israel gab seine Zustimmung – unter der Bedingung, dass auch die Geiseln notwendige Medikamente erhalten. Genau kontrollieren kann Israel das natürlich nicht.
Hamas verlangt Ende des Krieges
US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die Lieferung. Anschließend sprach er von neuen Kontakten zur Vorbereitung eines nächsten, breit angelegten Austauschs von palästinensischen Strafgefangenen in Israel gegen israelische Geiseln. "Israels Regierung steht vor schweren Entscheidungen", erklärte Blinken undeutlich. Denn auch die Forderungen der Geisel-Angehörigen nach einem neuen "Austausch-Deal" werden immer lauter.
Zwei Grundforderungen der Hamas wären schon bekannt: die Beendigung des Krieges und ein Verzicht Israels auf die gezielten Tötungen von Hamas-Anführern.
Für Israel wäre ein solcher Kompromiss das Eingeständnis einer Niederlage. Das selbst gesetzte Kriegsziel einer nachhaltigen Zerstörung der Hamas bliebe unerreicht – zumindest bis zum nächsten Waffengang, der bei Nichtzerstörung der Hamas-Herrschaft in Gaza bald zu erwarten wäre.
Vor allem Militär und Armeeführung sind dagegen. Nicht nur, weil der Krieg mit weniger aufwendigen Mitteln und gezielteren Säuberungsaktionen gegen die Hamas noch Monate dauern würde. Die Armeeführung sieht sich vor keiner anderen Möglichkeit nach ihrem Versagen, das Massaker am 7. Oktober nicht verhindert zu haben. Auch Israels politische Führung würde ein sofortiges Kriegsende spalten. Entweder verließen die extremistischen Partner Netanjahus die Koalition oder die im Krieg neu hinzugekommenen gemäßigten Parteien würden sich wieder zurückziehen.
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