Mit schweren Sanktionen, gar mit einer Militärintervention, drohte die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS den nigrischen Putschisten, sollte der festgesetzte Präsident Mohamed Bazoum nicht binnen einer Woche freigelassen und wieder eingesetzt werden. Eine Drohung, die laut Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogrammes Sahel der Konrad Adenauer Stiftung in Mali, leer bleiben dürfte: „Für ECOWAS steht viel auf dem Spiel, weil die Organisation die Putsche in Mali, Guinea und Burkina Faso nicht verhindert hat“, sagt er zum KURIER.
➤ Abzug, Terror, Putsche: Was in Mali vor sich geht
Die Mitgliedschaft dieser Staaten wurde nach den vergangenen Putschen suspendiert. Bis auf Nigeria, das mit großen internen Problemen zu kämpfen hat, wäre kaum eines der verbleibenden elf Mitglieder in der Lage, eine solche Militärintervention zu organisieren. Bleiben noch die Sanktionen: „Ich glaube nicht, dass sich die Putschisten davon beeindrucken lassen. Das hat schon das Beispiel Mali gezeigt. Am Ende wird ECOWAS in die Bedeutungslosigkeit abrutschen“, analysiert Laessing.
Wie bei den vorangegangenen Putschen waren bei Kundgebungen in Niger russische Fahnen zu sehen – zumindest ein Indiz dafür, dass der Kreml mit dem Machtwechsel zu tun gehabt hat. Mit verhältnismäßig geringem Aufwand schaffte es Moskau in der jüngeren Vergangenheit, über Jahre aufgebaute europäische Initiativen zu zerstören oder zu destabilisieren.
➤ Russland destabilisiert, wo es kann
Als Werkzeug dafür dient die „hybride Kriegsführung“, die Lehrbücher nennen vier Phasen dieser Einsatzart: Voraussetzungen für Einfluss schaffen, diesen ausüben, später Destabilisierung und schließlich das Niederringen des Gegners – in diesem Fall der Putsch einer russlandfreundlichen Gruppe. Doch was ist dran an dem steigenden Einfluss und wie sieht die russische Politik in Afrika in der Realität aus? „Prorussische Trolle geben eine Scheinwelt vor, dass Russland in Afrika stark engagiert sei. In der Realität ist da jedoch nicht viel, wird Russlands Rolle überbewertet“, sagt Laessing. Moskau suche Militärkooperationen, um Waffen, Munition und die Dienste von Söldnern anzubieten, spiele aber sonst keine große Rolle auf dem Kontinent.
Es gebe keine Entwicklungsprogramme in der Sahelregion. Frankreich und Europa würden die Hauptgeldgeber bleiben und auch die Wirtschaftsbeziehungen intakt bleiben.
Doch auch militärisch verläuft längst nicht alles nach Plan: In Mali etwa, wo die Wagner-Truppe etwa 1.000 Söldner stationiert haben soll, hat sich wenig daran geändert, dass dschihadistische Gruppierungen, die vornehmlich aus Bevölkerungsgruppen bestehen, die die geltenden Grenzen nicht anerkennen, eine Bedrohung bleiben.
Ende der Demokratie?
Teile der Bevölkerung würden noch auf Erfolge hoffen, „deshalb dürfte sich erst einmal nichts an der Situation ändern“, sagt Laessing. Die Berichte über Wagner-Massaker an der Zivilbevölkerung würden sich jedoch bereits herumsprechen. Bleibt die Frage, ob angesichts der zahlreichen Putsche in der Region die Demokratie nach westlichem Vorbild versagt hat. „Das glaube ich nicht – Putschisten sind ja auch nicht erfolgreicher“, sagt Laessing. „Aber die Regierenden haben die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen können, insbesondere, weil das Bevölkerungswachstum so groß ist.“
Kein Staat auf der Welt könne Dienstleistungen oder Infrastruktur für solch eine stark wachsende Bevölkerung schaffen. Die europäischen Finanzhilfen sowie die Ankündigungen, dass sich die Lage bald verbessern werde, habe bei den Menschen Erwartungen hinterlassen, die so rasch nicht erfüllt werden konnten. Laessing: „Wenn sich deren Lage dann nicht verbessert, heißt es dann schnell, Frankreich oder Europa seien schuld.“
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