20 Tage verschwunden: Kreml-Kritiker Nawalny in Strafkolonie in Polarregion verlegt

Nawalny verbüßt bereits eine neunjährige Strafe
Der Kremlgegner Nawalny wurde in ein Straflager im arktischen Norden verlegt. Am Dienstag verbreitete sich ein Brief von ihm in den sozialen Medien: "Mir geht es gut."

Der seit mehr als zwei Wochen gesuchte Kremlgegner Alexej Nawalny ist wieder aufgetaucht. Er sei in das Straflager IK-3 in Charp im Norden Russlands im Automonen Kreis der Jamal-Nenzen verlegt worden, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Montag im Nachrichtendienst X (vormals Twitter) mit. "Er ist in Ordnung", sagte Jarmysch. Von Nawalny hatte seit 20 Tagen jede Spur gefehlt. Sein Team und die Anwälte hatten eine Suchaktion gestartet. Das neue Straflager "Polarwolf" liegt mehr als 2.000 Kilometer von Moskau entfernt.

Am Dienstag wurde in den sozialen Medien ein Brief von Nawalny selbst geteilt: "20 Tage auf Etappe waren ziemlich anstrengend, aber meine Stimmung ist trotzdem ausgezeichnet", teilte der 47-Jährige darin mit. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich hier jemand vor Mitte Jänner findet", so Nawalny weiter. Er bedankte sich bei seinem Team aus Juristen und Unterstützern, die ihn seit Wochen in verschiedenen Untersuchungsgefängnissen und Straflagern gesucht hatten. "Mir geht es gut", schrieb er. "Ich bin heilfroh, dass ich endlich angekommen bin."

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Das Straflager "Polarwolf" gilt als eine der nördlichsten und am entlegensten Kolonien überhaupt. "Die Bedingungen dort sind brutal", sagte Nawalny-Mitarbeiter Iwan Schdanow. Dort herrsche auch Dauerfrost. Es sei sehr schwer, dorthin zu gelangen; es würden keine Briefe in das Lager zugestellt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat den Gegner von Kremlchef Wladimir Putin vor der Präsidentenwahl am 17. März isolieren wolle. "Sein Aufenthaltsort wurde geheim gehalten", kritisierte Schdanow.

"Ich bin Euer neues Väterchen Frost", schrieb wiederum Nawalny. Väterchen Frost, der russische Weihnachtsmann, übergibt am 31. Dezember die Geschenke. Er selbst habe sich in den 20 Tagen seiner Reise durch Russland in die kalte Dunkelheit der arktischen Region auch einen Bart wachsen lassen, berichtete Nawalny. "Statt Ho-Ho-Ho sage ich aber Och-Och-Och", so der Politiker, der nach fast drei Jahren Haft immer wieder Humor zeigt.

Zu 19 Jahren Haft verurteilt

Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzt die Gerichtsauftritte zur Kritik an Putins autoritärem System. Zuletzt war er zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet worden.

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Seit Anfang Dezember war der Aufenthalt des schärfsten Gegners des russischen Präsidenten unbekannt gewesen. Die Sorge um den 47-Jährigen war auch deshalb groß, weil er gesundheitlich angeschlagen ist. Mitarbeiter des Strafvollzugs hatten bei Gerichtsprozessen nur mitgeteilt, dass Nawalny nicht mehr im Straflager IK-6 rund 260 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir sei.

Die Kremlgegner um Nawalny hatten Anfang Dezember auch die Kampagne „Russland ohne Putin“ begonnen, mit der sie Wähler vor der Präsidentenwahl dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putin tritt zum fünften Mal bei der Abstimmung an, mögliche Mitbewerber gelten als chancenlos.

Nawalny, der 2020 auch einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt hatte, ist seit fast drei Jahren in Haft. Er wurde international als politischer Gefangener anerkannt.

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