Bürokratische Hürden
Es ist nicht das erste Mal, dass Ischia von einer Naturkatastrophe heimgesucht wird. „Diese Insel ist aus drei Gründen besonders gefährdet“, erklärt Micla Pennetta, Dozentin für Geomorphologie an der neapolitanischen Universität Federico II, dem KURIER. „Zum einen ist da der geomorphologische Aspekt: Die Erdbeben und Vulkanausbrüche der Vergangenheit haben mit ihren Ablagerungen von Asche, Schutt und Geröll zu einer erhöhten Erdrutschgefahr geführt. Hinzu kommt der Klimawandel. Die Regenfälle sind immer heftiger und das lockert die Ablagerungen. Und natürlich spielen auch die illegalen Bautätigkeiten eine Rolle.“
Auf die illegalen Bautätigkeiten wies auch Francesco Rispoli, Dozent für Architektur in Neapel, in einem TV-Interview hin: „Seit vierzig Jahren schauen die für die Stadt- und Landplanung Verantwortlichen tatenlos zu.“ Und wenn einmal eine Entscheidung stehe, dauere es Jahre, bis sie umgesetzt werde. „Die Pläne sind dann meistens schon überholt.“ Den Verantwortlichen sei das Image der Insel wichtiger als die Sicherheit. Baugenehmigungen würden deswegen leichtfertig vergeben.
Vorzeichen für weitere Katastrophen?
„Hören wir endlich auf, die Schuld auf die illegalen Bauten zu schieben“, widersprach Francesco Del Deo, Bürgermeister von Forio Ischia. Er erinnerte an die tragischen Erdrutsche von 1910 und 1912: „Damals gab es keine illegalen Bauten, die Leute hatten nicht einmal genug zum Essen.“ Dafür Verstand: Das Bauamt veranlasste nach den Erdrutschen 1910 und 1912 sofort die Reinigung vom Unterholz und den Bau von Befestigungs- und Schutzzäumungen. „Seit Jahrzehnten erfolgte jedoch keine Boden- und Flurwartung mehr“, so der Bürgermeister.
Viele Experten sehen die Tragödie in Ischia als so etwas wie ein Menetekel, ein Vorzeichen eines drohenden Unheils, zählt doch ganz Italien zu den am meisten geo- und hydromorphologisch gefährdeten Territorien Europas. Die EU hat deswegen einen Wiederaufbaufonds eingerichtet, Italien dafür 8,5 Milliarden Euro bereitstellt. Das Geld muss bis 2026 investiert werden. Eine sehr knappe Zeit, möchte man meinen.
„Nicht wirklich“ erwidert Pennetta von der Uni Frederico II. „Wenn man die Geologen sofort die nötigen Erhebungen durchführen lässt und gleich danach mit den Sicherungsarbeiten begonnen wird, ist der Zeitrahmen realistisch. Nur darf sich die Bürokratie nicht wieder in den Weg stellen.“
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