Italiens Rechte: Sanfte Töne nach Brüssel, Demütigungs-Sager zu Hause

Auf internationaler Ebene versucht Italiens Rechts-Mitte-Regierung einen gemäßigten Ton an den Tag zu legen. Immerhin braucht das Land die EU, vor allem die EU-Gelder: Ende des Jahres soll Italien weitere 20 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds erhalten, vorausgesetzt es erreicht die daran gebundenen 55 Ziele.
Premierministerin Giorgia Meloni will diese Bedingungen zwar neu diskutieren, zeitgleich hofft man, dass Brüssel den Preisdeckel fürs Gas durchboxt. Auch in Sachen Asylpolitik ist man mit Brüssel nicht einig – die EU kritisierte etwa scharf, dass Seenotrettungsschiffe von Hilfsorganisationen nicht anlegen durften. Auch, was Ungarn betrifft, ist man sich nicht einig: Die EU will Budapest mehrere Milliarden wegen Rechtsstaatsmängeln vorenthalten – Meloni und ihre Fratelli d’Italia sowie die Lega von Matteo Salvini sind dagegen, Berlusconis Forza Italia aber dafür.
„Es lebe Demütigung“
Anders steht es um die innenpolitische Rhetorik der neuen Regierung. „Die Demütigung (Anm.: eines Jugendlichen) ist ein wichtiger Wachstumsfaktor und trägt zur Bildung der Persönlichkeit bei“, heißt es da etwa – und die Behauptung stammt nicht von irgendjemandem, sondern von Lega-Politiker Giuseppe Valditara, Minister für Bildung und Verdienst (letztere Bezeichnung hat die neue Rechts-Mitte-Regierung hinzugefügt). Im Fall von grob schuldhaftem Verhalten, wie zum Beispiel Mobbing, führen „die gemeinnützliche Arbeit und die Demütigung dazu – es lebe die Demütigung –, dass der Schüler vor seinen Klassenkameraden Verantwortung für seine Tat übernimmt“, sagte er öffentlich.
Der Bildungsminister ist nicht der einzige Politiker der Regierung, der für Recht und Ordnung sorgen will. Vor ein paar Tagen sagte Lucio Malan, Fratelli d’Italia-Fraktionsvorsitzender im Senat, bei einem Radiointerview: „In der Bibel heißt es, dass Homosexualität eine Abscheulichkeit ist. Das steht sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament.“
Beide versuchten später zurückzurudern. Bildungsminister Valditara erklärte, er habe sich versprochen, er meinte Demut und nicht Demütigung (zwei Begriffe, die auch auf Italienisch vom Klang her ähnlich sind). Mag sein, wenn man der Alltagsrhetorik der Lega- und Fratelli-Politiker genau zuhört, bei vielen Beobachtern kommen jedoch Zweifel auf.
Preise explodieren
Im Moment haben die Italiener ohnehin ganz andere Sorgen. Zum Beispiel, wie sie die vervierfachten Gas- und Stromrechnungen bezahlen sollen. Das erklärt auch, warum die Regierung in Umfragen nach 30 Tagen im Amt weiter einen sehr hohen Beliebtheitsgrad – 42 Prozent – hat.
Der Normalbürger registriert eher, dass das Kabinett zwei Drittel der im Haushaltsbudget veranschlagten Mehrausgaben zur Dämpfung der Energiepreise einsetzen will. Dass dieses Geld nur bis März reicht, wird von den Bürgern derzeit noch ausgeblendet.
Kommentare