Die Schweiz habe wegen des mangelnden Klimaschutzes die Menschenrechte der klagenden Pensionistinnen verletzt, hieß es im Richterspruch. Konkret ermittelte das Gericht zwei Verstöße:
Zum einen sei das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden. Anders formuliert: Die staatlichen Behörden müssten auch einen „wirksamen Schutz vor den schwerwiegenden negativen Folgen des Klimawandels auf Leben, Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität“ ermöglichen. Die Schweiz aber, so stellte das Gericht in Straßburg fest, sei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Die zweite Verfehlung: Auch das Recht auf ein faires Verfahren sei den Frauen verweigert worden, weil sie bei allen Instanzen in der Schweiz abgeblitzt waren.
Dieses Urteil hat große Signalwirkung: Zum allerersten Mal war eine Klimaklage vor einem europäischen Menschenrechtsgericht erfolgreich.
Ein Präzedenzfall
Der Gerichtshof in Straßburg (EMRG) gehört zum Europarat, und dem gehören anders als in der EU alle europäischen Staaten sowie etwa auch die Türkei an. Das historische Urteil vom Dienstag könnte nun also ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen in vielen europäischen Ländern werden.
Erstmals hat sich der Gerichtshof auch mit Co2-Emmissionen befasst. Über Lärm- und Luftverschmutzung hatten die Straßburger Richter und Richterinnen schon früher verhandelt.
Wie geht es nun weiter?
Die Schweizer Regierung kann nun von sich aus aktiv werden und ihre Klimaschutz-Anstrengungen verstärken. Oder aber die Klima-Pensionistinnen wenden sich wieder an ein eidgenössisches Bundesgericht. Dieses würde sich dann an das Umweltministerium wenden – und das muss sich dann mit der Klage befassen und Konsequenzen ziehen. Bis also Pensionistin Ruth Schaub und die Klimakämpferinnen die Folgen ihres Gerichtserfolgs zu spüren bekommen, könnte es noch weitere Jahre dauern.
Weltweit führt der Kampf gegen den Klimawandel immer öfter vor Gericht – an die 2.000 Klagen dieser Art gibt es gegen Unternehmen oder Staaten.
Vor knapp drei Jahren sorgte ein niederländisches Gericht für eine Sensation: Zum ersten Mal wurden ein Energiekonzern gerichtlich gezwungen, seine Emissionen zu senken. Das größte europäische Öl-Unternehmen Shell muss seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 45 Prozent (zum Niveau 2019) reduzieren – allerdings nur in den Niederlanden und nicht in den anderen 69 Ländern, wo der Konzern aktiv ist.
Das Urteil zur Schweiz weckt auch Erinnerungen an das des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland aus dem Jahr 2021 zur Klage von mehreren Jugendlichen. Sie hatten argumentiert, ihr Recht auf eine angemessene Zukunft werde durch unzureichende Anstrengungen Deutschlands beim Klimaschutz gefährdet. Das Gericht gab ihnen im Wesentlichen recht. Daraufhin änderte und verschärfte Deutschland sein Klimaschutzgesetz.
Der Gerichtshof hat am Dienstag über insgesamt drei Klimaklagen entschieden. In allen ging es um die Verantwortung von Staaten gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern angesichts der globalen Erwärmung. Doch nur die Klage der Schweizer Seniorinnen hatte Erfolg.
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