Kriminelle Vereinigung? Warum die deutsche Justiz die Klimakleber härter anpackt
"Es besteht ein Anfangsverdacht für eine kriminelle Vereinigung", so erklärte am Mittwoch die bayerische Staatsanwaltschaft die Razzia gegen die Klimaaktivisten der "Letzten Generation". Damit also legt man in Deutschland die Grundlage für ein massives Vorgehen gegen die Klimakleber. Ist das juristisch gerechtfertigt und funktioniert es in Österreich anders?
Begehen Klimakleber Straftaten?
Es gibt im deutschen Recht drei Tatbestände, die eine strafrechtliche Verfolgung ermöglichen.
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- Welche Straftaten Klimakleber nach deutschem Recht begehen
- Wie sieht es im Vergleich in Österreich aus?
- Worauf beruht der Vorwurf der kriminellen Vereinigung?
- Darf man die Klimakleber verhaften?
- Können Klimakleber in Österreich im Gefängnis landen?
Bei den drei Tatbeständen handelt es sich um:
"gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr", also, wenn durch die Aktivitäten der Klimakleber andere Personen, oder aber auch Gegenstände von beträchtlichem Wert gefährdet sein könnten. Das heißt, wenn etwa ein Rettungswagen behindert wird und damit ein Patient in Lebensgefahr kommt, oder es zu einem größeren Verkehrsunfall kommt, bei dem Menschen verletzt oder Fahrzeuge schwer beschädigt werden. Ein Berliner Richter aber stimmte dem nicht zu, seither wurde kam dieser Tatbestand nicht zum Tragen.
oder
"Nötigung": Dieser Straftatbestand ist gegen Hunderte Klimakleber bereits angewandt worden. Er beruht darauf, dass die Klimakleber durch ihre Blockaden konkret körperliche Gewalt gegen andere Verkehrsteilnehmer ausüben. Dem haben Richter in mehreren deutschen Bundesländern zugestimmt. Allerdings laufen Berufungsverfahren und auch dieser Tatbestand ist umstritten, da nicht klar ist, ob beispielsweise die Blockade eines Autos bereits physische Gewaltanwendung ist.
oder
"Widerstand gegen Beamte": Voraussetzung dafür wäre aktive Gewaltanwendung gegenüber Polizisten. Diese in ihrer Arbeit nur passiv zu behindern - also indem man nur mühsam von der Straße zu lösen ist und dabei auch nicht hilft - reicht für diesen Tatbestand nicht aus. Allein dadurch, dass man sich wegtragen lässt, übt man keine physische Gewalt aus. Begriffe wie "passive Gewalt" sind juristisch umstritten. Bisher wurden auch in Deutschland keine Urteile auf dieser Grundlage gesprochen.
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Wie sieht es im Vergleich in Österreich aus?
Die Parallele zum "gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr" wäre in Österreich die "Gemeingefährdung". Könnte man also nachweisen, dass etwa ein Rettungswagen behindert und ein Mensch so akut gefährdet wurde, wäre eine Verurteilung grundsätzlich möglich.
Der in Deutschland in Hunderten Fällen angewendete Vorwurf der "Nötigung", könnte auch in Österreich angewendet werden, allerdings hat sich der Oberste Gerichtshof dagegen ausgesprochen, weil man dem in Deutschland verwendeten Begriff der "Gewalt" nicht zustimmt.
Auch der "Widerstand gegen die Staatsgewalt" ist ein Tatbestand in Österreich. Allerdings reicht auch hier der allein passive Widerstand nicht aus, indem man sich wegtragen lässt. Ein Aktivist wurde deshalb in einem solchen Fall bereits freigesprochen.
Worauf beruht der Vorwurf der kriminellen Vereinigung?
Nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft in München besteht ein "Anfangsverdacht" zur Bildung einer "kriminellen Vereingung", das heißt eine Vereinigung, die Aktionen "gegen die öffentliche Ordnung" plant. Das beruht einerseits auf Anzeigen gegen mehrere Aktivisten wegen "Nötigung". Viel wichtiger aber ist der Vorwurf der Sabotage, der beruht darauf, dass Aktivisten im April mehrfach Ölpipelines in Deutschland blockiert haben, indem sie Hähne abdrehten, oder sich daran festketteten. Nach Ansicht der Ermittler waren weitere derartige Aktionen geplant, das war die Begründung für das Einschreiten der Beamten am Mittwoch.
Darf man die Klimakleber verhaften?
In Bayern wurden mehrere Klimakleber tatsächlich über mehrere Wochen in Haft gesetzt, weil man in dem Freistaaat die Aufgaben der Polizei besonders großzügig auslegt. Es handelt sich um eine sogenannte "Präventivhaft", weil man damit verhindern will, dass die Aktivisten "weitere Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder Straftaten begehen würden". Das aber ist eine Rechtsauslegung, die allein in Bayern angewandt wird.
Können Klimakleber in Österreich im Gefängnis landen?
In Österreich sind zahlreiche Verwaltungsstrafen gegen die Aktivisten verhängt worden, mit einem Strafausmaß von mehreren Hundert Euro: Es geht um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Dazu kommen oft die Kosten des Polizeieinsatzes, die den Aktivisten in Rechnung gestellt werden. Wird das alles nicht bezahlt, was ja viele Aktivisten verweigern, können die Strafen in Freiheitsstrafen umgewandelt werden.
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