Nach Todesfall in Berlin: Darf man sich aus Protest auf die Straße kleben?

Symbolbild
Ein Einsatzwagen kam am Montag in Berlin verspätet zu einem Unfallort, nachdem Klimaaktivisten die Straße blockiert hatten.

Montagfrüh, gegen 7.30 Uhr: Zwei Klimaaktivisten der Organisation „Letzte Generation“ bringen Transparente über einer Berliner Autobahn an. Danach kleben sie sich an Verkehrsschildern fest. Um die Männer lösen zu können, sperrt die Polizei zwei Fahrstreifen. Das dauert zwei Stunden lang. Von den Szenen, die sich in diesem Zeitraum in ihrer Nähe ereignen, ahnen die zwei vermutlich nichts: Eine Frau wird von einem Betonmischer überrollt und lebensgefährlich verletzt. Die Feuerwehr ist unterwegs, um die unter dem Mischer eingeklemmte Frau zu befreien. Das Problem: Der Einsatz verzögert sich, denn auf der Autobahn herrscht – durch die Aktion ausgelöst – Stau. Die Verletzte wird verspätet ins Krankenhaus gebracht, wo sie Berichten zufolge am Donnerstag verstarb.

Es ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. 2021 verletzte ein Greenpeace-Aktivist mehrere Menschen, als er mit seinem Gleitschirm während eines Fußballspiels in München fast in die Zuschauertribüne stürzte. Bleibt die Frage, welche Schuld die Aktivisten tragen und ob sie strafrechtlich belangt werden sollten, wie die Polizei in Deutschland angesichts des aktuellen Falles überlegt.

Welche Strafe droht?

Laut dem Menschenrechtsexperten Michael Lysander Fremuth stellen sich hier zwei relevante Fragen: „Kann man nachweisen, dass sich die gesundheitliche Situation des Opfers durch die Demonstration kausal verschlechtert hat? Und war das vorhersehbar, konnten die Aktivisten damit rechnen, dass ihr Protest diese Folgen hat?“ Das müsse man untersuchen und beweisen, er schließt beides aber nicht aus. Es gehe schließlich bei solchen Aktionen genau darum, den Verkehr zu behindern: „Das Wesen des Demonstrationsrechts ist ja: Man will Leute aufrütteln, ihnen notfalls auf die Nerven gehen, sie aufhalten und auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen.“

Ein Rechtsbruch werde da von vielen in Kauf genommen, auch ein legitimes Anliegen stelle aber keine Rechtfertigung dar. Die Aktivisten könnten möglicherweise wegen fahrlässiger Tötung belangt werden. „Nach österreichischem Recht wäre der Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht strafbar“, meint hingegen Verfassungsjurist Heinz Mayer. Die Aktivisten hätten ja nichts von den Folgen wissen können: „Würden sie sich dagegen vor eine Notfallambulanz kleben, müssten sie damit rechnen, dass Menschen zu Schaden kommen“, so Mayer.

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