Jugoslawien war tot, bevor Tito gestorben ist. Er hatte vom "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" gesprochen. Das war aber einfach nur ein Slogan. Jugoslawien wurde nicht erst von den Demokraten beendet, sondern von den Kommunisten. Sie konnten sich nicht einigen, wie es weitergehen sollte. Wir hingegen hatten die Verfassung auf unserer Seite. Selbstbestimmung und sogar Abspaltung waren erlaubt. Ich habe Belgrad mehrmals besucht, insbesondere Premier Ante Marković, aber er hat die Idee einer friedlichen Auflösung Jugoslawiens nicht akzeptiert und hat stattdessen den Befehl, Slowenien anzugreifen, unterschrieben.
Sie sagen, das Ende Jugoslawiens war da längst besiegelt. Doch heute gibt es vielerorts eine Art "Jugonostalgie", fast schon eine popkulturelle Bewegung, die sich die Tito-Zeit zurückwünscht.
Für mich ist das eher ein kulturelles als ein politisches Phänomen. Es handelt sich dabei um eine neue Generation, die nicht weiß, wie es ist, im Kommunismus zu leben. Es ist eher eine Show, sie tragen T-Shirts mit dem Tito-Porträt drauf. Dass das kein "menschlicher" Sozialismus war, haben wir spätestens gemerkt, als wir selbst mit der Geheimpolizei in Kontakt kamen. Wie viele Intellektuelle gezahlt wurden, um die Gegenseite zu bespitzeln! Das System war einfach falsch.
Wann war der Punkt, an dem Sie wussten, es ist Zeit, sich loszusagen?
Wir haben die Wahlen 1990 mit dem Programm gewonnen, einen souveränen Staat zu schaffen. Wir wollten ein neu strukturiertes Jugoslawien mit einer lockeren Konföderation, gemeinsamer Außenpolitik. Aber Slobodan Milošević wollte das nicht. Unsere Volksabstimmung im Dezember 1990 ging mit überwältigender Mehrheit für die Souveränität aus. Es hat mich schon überrascht, wie viele Menschen für die Unabhängigkeit waren. Auch viele ehemalige Kommunisten. Sie wussten wohl, dass es für Jugoslawien keine Zukunft gibt.
Haben Sie geahnt, wie es mit den anderen Teilen Jugoslawiens weitergehen würde?
Wir wussten, dass Kroatien auf demselben Weg war, wir bereiteten uns teilweise gemeinsam vor. Wir hofften immer auf eine friedliche Lösung. Aber wir waren für jedes Szenario gerüstet. Wir kümmerten uns um Gesetze, um die Armee, kauften Güter wie Zucker und Mehl für ein halbes Jahr im Voraus. Jeder Minister hatte seine Aufgabe. Es war wichtig, sich im Vorhinein um diese Dinge zu kümmern, denn wenn etwa Güter nach ein paar Tagen ausgegangen wären, hätten wir die Menschen vielleicht nicht mehr hinter uns gehabt.
Sie erinnern sich an viele Details, kommt es Ihnen wirklich vor, als ob das alles schon 30 Jahre her ist?
Es war bestimmt die dichteste Zeit meines Lebens. Ich kann mich emotional sofort dorthin zurückversetzen. Für meine Familie war es auch viel. Meine Frau hatte Möglichkeiten, in die Schweiz, nach Österreich, Deutschland oder Italien zu gehen, wegen des Krieges. Doch sie blieb, trotz des Krieges.
Würden Sie die Folgejahre als Erfolg bezeichnen?
Definitiv. Slowenien steuerte etwas mehr als ein Jahrzehnt später auf die EU zu, wenig später in den Euro- und den Schengenraum. Aber meine Mutter sagte immer, man soll nicht so sehr über Erfolg sprechen.
Allerdings, seit Slowenien eine Demokratie ist, waren die "neuen politischen Kräfte" nur 20 Prozent der Zeit an der Macht. Die anderen Parteien, mit ihrer kommunistischen Vergangenheit, kommen in neuem Gewand oder mit neuen Namen, doch sie haben von den Privilegien und Monopolen der "alten Zeit" gelebt. Sie kontrollieren große Teile des wirtschaftlichen und sozialen Lebens.
Über die aktuelle Regierung unter Janez Janša machen Sie sich keine Sorgen?
Wenn eine neue politische Kraft strukturelle Veränderung herbeiführen will, dann wird sie kritisch beäugt. Diese Polarisierung ist immer da.
Kritiker sagen, dass jene demokratischen Werte, für die Sie, aber auch Janez Janša einst gekämpft haben, jetzt abgebaut werden. Etwa die Medienfreiheit. Sehen Sie das nicht so?
Nein, das sehe ich nicht so. In Slowenien sind alle Zeitungen mit den "alten Strukturen" verbunden. So etwas wie die Frankfurter Allgemeine gibt es bei uns nicht. Wenn Sie sich hingegen das slowenische Fernsehen ansehen, können Sie eine sehr kritische Haltung der Medien gegenüber der Regierung erkennen. In totalitären Regimen wird in den Medien der Premierminister nur gelobt.
Die Kritik ist unter anderem, dass Slowenien auf dem Weg ist, eine Medienlandschaft wie Serbien oder Ungarn zu erhalten. Wo es tatsächlich so ist, dass fast ausschließlich die Meinung des Premiers wiedergegeben wird.
Janšas Feinde wollen ihn als "totalitären" Mann darstellen. Aber er hat sehr viel zum Ende des Kommunismus beigetragen. Er führt eine Koalition mit vier Parteien. Wie kann man mit vier Parteien totalitär sein? Diese Schwarz-weiß-Herangehensweise unterstütze ich nicht. Ich würde sagen: Das Konzept des "Feindbildes" ist zurück.
Kommentare