Kanzler in Ägypten: Arbeitsmigranten holen, Illegale abschieben
Wie kann verhindert werden, dass Asylwerber trotz negativen Bescheids weiter in Europa bleiben? Hilfreich dafür sind Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern. Darum und um wirtschaftliche Zusammenarbeit ging es beim Besuch von Bundeskanzler Karl Nehammer in Ägypten, der letzten Station seiner viertägigen Afrikareise. Die Asylanträge aus Ägypten sind zuletzt stark gestiegen, obwohl Ägypter kaum Chancen auf Asyl in Österreich haben.
Bereits im Vorfeld wurde zwischen beiden Ländern über ein „Mobilitätsabkommen“ verhandelt, wie es kürzlich mit Indien beschlossen wurde. Darin geht es auch darum, legale Zuwanderung in den österreichischen bzw. den europäischen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Längerfristig soll Ausbildung vor Ort in Ägypten unterstützt werden. Im Gegenzug wird man versuchen, Kontingente zu definieren, um Arbeitswillige für Mangelberufe wie Pflege nach Österreich zu holen. Diese sollen auch „sicherheitsüberprüft“ sein, um Österreich vor dem Eindringen des politischen Islams zu schützen.
Al-Sisi kommt nach Wien
Das war eines der Gesprächsthemen des Kanzlers mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah Al-Sisi. Dieser kündigte noch für heuer einen Gegenbesuch in Wien an. Dann soll das Abkommen unterschrieben werden. Nehammer bekannte sich dazu, illegale Migration einerseits durch Hilfe vor Ort und andererseits mit konsequenter Abschiebung verhindern zu wollen. Wobei der Kanzler in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Al-Sisi die Leistungen Ägyptens bei der Aufnahme von mehr als sechs Millionen Vertriebenen und bei der Bekämpfung illegaler Migration betonte. Ägypten befürchtet durch den Ausbruch des Bürgerkriegs im Sudan eine weitere Million Flüchtlinge im eigenen Land.
Al-Sisi verwies bei einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast auf die Erfolge Ägyptens bei der Terrorismusbekämpfung. Ziel der Afrika-Reise des Kanzlers in war auch der Abschluss von Polizeikooperationen.
Grüner Wasserstoff
Unterzeichnet wurden am Donnerstag auch Wirtschaftsabkommen. Dabei geht es unter anderem um Infrastrukturprojekte und um grünen Wasserstoff. Derzeit werden zahlreiche Großprojekte zum Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben. Bis 2035 sollen 42 Prozent der Energie Ägyptens aus Erneuerbaren kommen. Auch die Erdgasförderung soll ausgeweitet und Ägypten zu einem Energie-Hub im östlichen Mittelmeer ausgebaut werden. Im Bau befindet sich mit Unterstützung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) eine erste Elektrolyseanlage zur Produktion von jährlich 15.000 Tonnen an grünem Wasserstoff.
Auch in der Landwirtschaft, insbesondere beim Thema Bewässerung – Wasser ist ein besonders knappes Gut in Ägypten – gibt es Interesse an österreichischem Know-how.
Der mitreisende Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig traf daher den ägyptischen Wasserminister. Es wurde verstärkte Zusammenarbeit beschlossen. Schließlich sei Österreich bei Wasseraufbereitung und Wasserkraft Technologieführer und auch jetzt schon in der Region aktiv, so Totschnig.
Wassermangel – und hier schließt sich der Kreis – zählt zu den Hauptgründen für Flucht. Weltweit haben 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, Tendenz steigend. Und Ägypten hat nur einen Fluss: den Nil, die Lebensader des Landes. Der Rest ist Wüste. Gleichzeitig ist das Bevölkerungswachstum enorm. 60 Millionen der 100 Millionen Einwohner sind unter 30.
Hohe Inflation
Wie viele afrikanische Länder kämpft Ägypten mit hoher Inflation. Die Preise u. a. für Nahrungsmittel haben sich fast verdoppelt, ohne dass die Gehälter gestiegen wären, was die Beliebtheitswerte Al-Sisis sinken hat lassen. Mit dem riesigen Bauboom der vergangenen Jahre in der 21,5-Millionen-Stadt Kairo dürfte sich Ägypten weiter massiv verschuldet haben. Der (subventionierte) Brotpreis – der schon einmal zur Revolution geführt hat – ist zu Beginn des Ukraine-Krieges gestiegen, hat sich nun aber wieder stabilisiert.
Ägypten ist – wie viele andere Länder des Kontinents – stark von ausländischen Geldgebern abhängig. Es handelt sich um ein autoritäres Militärregime, die Menschenrechtssituation ist prekär. Al-Sisi gab zu verstehen, dass Europa Afrika nicht sein Wertesystem überstülpen könne. So sei Ägypten von Umsturzversuchen der Muslimbruderschaft bedroht gewesen.
Nehammer hat diese Woche Besuche in Angola und Ghana absolviert, im März war er in Marokko. Auch mit diesem Land wurde über Rückführungen verhandelt.
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