Nur Augenblicke später sah die heute 58-Jährige die ersten Sequenzen des „unglaublichen Geschehens“ im Fernsehen. „Als der Nordturm einstürzte, wusste ich, dass er tot ist.“ Tom Strada war einer von über 650 Cantor-Angestellten in New York, die 9/11 nicht überlebten.
Vor den Trauerfeiern zum 20. Jahrestag ist die Witwe aus Basking Ridge landesweit als entschlossene Kämpferin für Gerechtigkeit in einem besonders heiklen Teil der Jahrhundert-Tragödie bekannt geworden: der mutmaßlichen Beteiligung Saudi-Arabiens bei der Vorbereitung der Anschläge. Über klerikale Wohltätigkeitsorganisationen soll viel Geld an mindestens zwei der Attentäter geflossen sein – bewerkstelligt auch durch einen hochrangigen Mitarbeiter der saudischen Botschaft. Strada will, dass Präsident Joe Biden „unser Held wird“ und „endlich Licht in das Dunkel bringt“.
Die 9/11-Kommission des Kongresses stellte 2002 in ihrem Abschlussbericht fest, dass es keine Beweise dafür gebe, dass die saudische Regierung „als Institution oder durch hochrangige Regierungsbeamte des Landes“ den Anschlag unterstützt hat.
Was wussten und taten die Saudis?
Die Wortwahl ließ für viele Experten den Schluss zu, dass Einzeltäter aus dem Mittelbau der Wahhabiten-Regierung sehr wohl ihre Hände im Spiel gehabt haben könnten. Was die Regierung in Riad bis heute mit Empörung zurückweist. Der damalige Senator Bob Graham ging davon aus, dass brisante Informationen unter der Decke gehalten wurden, um keinen Eklat mit dem saudischen Königshaus zu provozieren.
Als Vorsitzende einer der wirkungsmächtigsten Hinterbliebenen-Organisationen, der „9/11 Families & Survivors United for Justice Against Terrorism“, war Terry Strada früh davon überzeugt, „dass alle Wege zum saudischen Königshaus führen“. Immerhin waren 15 der 19 Attentäter Saudis. „Nur wenn man die Finanziers zur Strecke bringt, kann man den Terror austrocknen.“
Als sie sich einer Entschädigungsklage anschließen wollte, spürte Terry Strada zum ersten Mal, mit welchem Gegner sie es zu tun bekommen sollte. Die Regierung von George W. Bush ließ im Kommissionsbericht 28 Seiten, die sich genauer mit Saudi-Arabien beschäftigten, schwärzen. Nationale Sicherheit, hieß es.
„Was hat man vor, uns zu verheimlichen?“, fragte Strada danach in jede Fernsehkamera, die sich ihr bot. Später legte Barack Obama gegen ein Gesetz sein Veto ein, das Wiedergutmachungsklagen gegen am Terror beteiligte Länder ermöglichen sollte. Auch hier war Strada treibende Kraft. Erst ein spektakulärer Akt durch Senat und Repräsentantenhaus überstimmte Obama.
Nach Vorstellung des von ihr inspirierten „September 11 Transparency Act of 2021“ sagten vor wenigen Tagen Senatoren beider Parteien ihre Unterstützung zu, „den Opfer-Familien endlich die volle Wahrheit zu sagen“.
Brandbrief an Joe Biden
„Man könnte so endlich die Lücken schließen, die bis heute das Verständnis über die damals beteiligten Terroristen erschweren“, sagt Strada. Etwa, dass zwei der Attentäter, Nawaf al Hazmi und Khalid al Mihdhar, Hilfe saudischer Akteure hatten, als sie 2000 in San Diego eintrafen. Omar al Bayoumi, den US-Stellen für einen saudischen Geheimdienstler hielten, vermittelte den späteren Massenmördern eine Wohnung, bürgte für den Vertrag, zahlte die Kaution. Terry Strada weiß nach eigenen Worten von zwölf weiteren saudischen Terror-Unterstützern.
Ein Brandbrief, unterschrieben von 1.600 Angehörigen von 9/11-Opfern, an Joe Biden zeigte Wirkung. Der US-Präsident kündigte am Freitag eine Überprüfung der damaligen Untersuchungen und die Neuklassifizierung der Beweismittel an. „Die amerikanischen Bürger verdienen es, das ganze Bild zu kennen, und sollen wissen, was ihre Regierung über die Anschläge weiß.“ Der ganze Bericht soll in mehreren Teilen in den kommenden sechs Monaten freigegeben werden.
Terry Strada darf hoffen. Sie stellt sich derweil wie jedes Jahr um diese Zeit auf emotional harte Wochen ein. „Alle Jahrestage sind schwer. Man durchlebt den Horror immer wieder neu. Es ist eine überwältigend traurige Zeit.“ Diesmal eine mit zarten Lichtblicken: Justin Thomas, der Neugeborene von 2001, hat sich für die Nationalgarde gemeldet. „Er will sein Land verteidigen“, sagt die Mutter stolz.
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