Johnson zur Corona-Krise: Nicht „den Fuß von der Kehle des Biests nehmen“
Ist Großbritannien an einem Wendepunkt und kann in der Corona-Krise endlich etwas aufatmen? Premier Boris Johnson konnte sich am Montag über etwas Rückenwind freuen. Es gebe Anzeichen dafür, dass der Lockdown funktioniere, sagte er, warnte aber, es sei zu früh dafür, „den Fuß von der Kehle des Biests zu nehmen“.
Während das EU-Impfprogramm weiterhin eher schleppend voranschreitet, steigt die Insel aufs Gas. Nach einem Rekord von fast 600.000 Injektionen am Samstag zeigte die Statistik fast neun Millionen Erstimpfungen, eine zweite Dosis hatten rund 490.000 Menschen erhalten. Die Regierung kündigte am Montag an, dass der Pieks bereits in fast allen Pflegeheimen Englands angeboten worden sei. Johnson lobte das als „entscheidenden Meilenstein“, mit dem Zwischenziel habe eine der vier Hochrisikogruppen abgedeckt werden können.
Nachdem das Land in der Vorwoche die Marke von 100.000 Corona-Toten überschreiten musste, diagnostizieren wissenschaftliche Berater der Regierung jetzt laut Medien eine „Stabilisierung“ der Lage in Großbritannien. Krankenhauseinweisungen seien bereits „deutlich rückläufig“. Am Sonntag wurden 21.088 Neuinfektionen gemeldet, was die Zahl für die vergangenen sieben Tage auf 169.714 brachte, eine Verringerung von 33 Prozent gegenüber der Vorwoche. Die 587 Toten ließen die Zahl der Vorwoche um fünf Prozent auf 8.219 fallen. In London sind Corona-Todesfälle in den vergangenen sieben Tagen gegenüber dem kürzlich verzeichneten Höhepunkt um fast ein Drittel, Neuinfektionen um zwei Drittel gesunken.
Die Regierung hofft, in der letzten Februarwoche Pläne für Lockerungen des Lockdowns ankündigen zu können. Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock ließ sich in einem BBC-Interview sogar dazu hinreißen, Hoffnung auf einen „glücklichen und freien Sommer“ auszudrücken.
Neue Test-Offensive
Die Fortschritte will man aber aktuell nicht verspielen. Deshalb begannen am Montag in Teilen Englands wie Surrey und London, wo erste Infektionen mit der südafrikanischen Virusvariante ohne Verbindungen zu Reisen oder anderen Fällen gefunden worden waren, „dringende“ Tests, um eine Ausbreitung zu verhindern.
Die britische Insel Isle of Man, die nicht Teil des Vereinigten Königreiches, sondern direkt der britischen Krone unterstellt ist, beendete unterdessen ihren Lockdown am Montag. Schulen, Läden und Pubs dürfen wieder öffnen. Auch soziale Distanzierungs- und Maskenpflicht gelten nicht mehr.
"Ausgerechnet Johnson"
Impfen bleibt indes der große Werbeerfolg der Regierung. Der vorläufig beigelegte EU-Impfstoffstreit und die Tatsache, dass Großbritannien, anders als die EU, nicht von Lieferverzögerungen beim Astra-Zeneca-Vakzin betroffen ist, ließ britische Medien in den vergangenen Tagen den Erfolg der Planungsarbeit von Johnsons Team feiern. Regierungsmitglieder sprachen sich gegen jeden „Impf-Nationalismus und -Protektionismus“ aus. Und Johnson meinte, „unabhängig vom Hin und Her sind wir zuversichtlich, was unsere Versorgungssicherheit anbelangt“. Am Montag bestellte London auch 40 Millionen weitere Dosen des Impfstoffs von Valneva.
Die "Times" publizierte am Montag sogar einen Gastkommentar von Peter Tiedje von der Bildzeitung. Die Deutschen hätten sich zwar über den britischen Premier und den Brexit lustig gemacht, schrieb er, aber „es war ausgerechnet Johnson, der es richtig gemacht hat“.
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