Entspannung im Impfstoffstreit zwischen EU und Großbritannien

Britain's Chancellor of the Duchy of Lancaster Michael Gove leaves after a Cabinet meeting at the Foreign and Commonwealth Office (FCO) in London
Brüssel machte Rückzieher bei Exportkontrolle nach Nordirland. Versöhnlich zeigten sich der britische Gesundheitsminister Gove und EU-Kommissar Šefčovič nach einem Telefonat am Abend.

Im Impfstoffstreit zwischen der EU und Großbritannien zeichnet sich eine Entpannung ab: Nach dem Rückzieher Brüssels in der Frage von Impfstoffexporten nach Nordirland hat die britische Regierung eine Zusammenarbeit bei der Verteilung des Astra-Zeneca-Vakzins zugesagt. Staatsminister Michael Gove sagte am Samstag, dass die Impfung der eigenen Bevölkerung Priorität habe. "Wir wollen aber auch mit unseren Freunden und Nachbarn in der Europäischen Union zusammenarbeiten, um ihnen auch zu helfen."

Die EU habe eingesehen, dass sie mit der Auslösung des Notfallmechanismus aus dem Brexit-Abkommen einen Fehler gemacht habe, sagte Gove weiter. Es brauche nun einen Neustart in den Beziehungen. Versöhnlich zeigten sich Gove und EU-Kommissar Maroš Šefčovič nach einem Telefonat am Abend. Sie wollten sich gemeinsam für die Vorteile aus dem Friedensprozess in Nordirland einsetzen und Einschränkungen für das Leben der Menschen in der Region vermeiden, twitterten beide.

Hintergrund ist der Streit zwischen der EU-Kommission und dem britisch-schwedischen Impfstoffhersteller Astra Zeneca über dessen Lieferschwierigkeiten. Das Unternehmen hatte Verzögerungen damit begründet, dass es Probleme bei Werken in den Niederlanden und Belgien gebe.

Die Produktion für Großbritannien bleibe aber unbeeinträchtigt, weil London sich habe zusichern lassen, dass die Produktion im eigenen Land zuerst nur dem eigenen Impfprogramm zu Gute kommen soll, so Astra-Zeneca-Geschäftsführer Pascal Soriot. Das sorgte auch deshalb für Empörung, weil die Briten seit Monaten Impfstoff von Pfizer und Biontech aus europäischer Herstellung erhalten. Die EU hatte daraufhin einen Kontrollmechanismus für die Ausfuhr der Präparate eingeführt.

Notfallmechanismus erwogen

Für Irritationen sorgte, dass Brüssel in einem am Freitagabend veröffentlichten Dokument die Auslösung eines Notfallmechanismus aus dem Brexit-Abkommen erwägte. Damit sollte auch die Kontrolle der Ausfuhren vom EU-Mitglied Irland in die britische Provinz Nordirland ermöglicht werden. Doch der Schritt traf auf heftige Kritik - nicht nur aus London und Belfast, sondern auch aus Dublin.

Die nordirische Regierungschefin Arlene Foster warf der EU vor, eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu schaffen, wie sie das Nordirland-Protokoll eigentlich verhindern sollte. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von "schwerer Besorgnis" und telefonierte mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Gegenüber dem britischen Radiosender BBC 4 sagte Foster am Samstag außerdem, sie halte die Regelungen im Brexit-Abkommen zu Nordirland für "nicht umsetzbar" und wolle sich bei Premier Johnson und bei der Regierung in Dublin dafür einsetzen, das Nordirland-Protokoll abzuschaffen. Es führe zu erheblichen Spannungen in dem britischen Landesteil, so Foster.

Jahrelang hatten die Unterhändler bei den Brexit-Gesprächen darum gerungen, wie Kontrollen an der inneririschen Grenze vermieden werden können, um den brüchigen Frieden in der ehemaligen Bürgerkriegsregion nicht zu gefährden. Stunden später lenkte Brüssel ein.

Kommentare