Johnson will „Brexit vollziehen, Land vereinigen, Corbyn besiegen“
Boris Johnson ist am Ziel seiner Träume. Mit überwältigender Mehrheit wählten ihn die 160.000 Tory-Mitglieder zum Nachfolger der glücklosen Premierministerin Theresa May, die heute, Mittwoch, offiziell ihren Rücktritt einreichen wird.
„Brexit vollziehen, Land wiedervereinigen, Corbyn besiegen“, erklärte er zu den ersten Schritten seiner Amtszeit. Doch seine Vorgängerin kann ein Lied davon singen, wie schwierig bereits der erste Schritt ist: May war mit ihrem mit Brüssel ausgehandelten Abkommen dreimal im Parlament krachend durchgefallen.
Genau dieses Parlament könnte auch Johnsons Träume begraben – die Regierung hat dort nur eine knappe Mehrheit, einige Konservative sind mit Johnson unzufrieden. Am Donnerstag gäbe es die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen Johnson, ehe es in die Sommerpause geht. Laut der renommierten Politologin Melanie Sully wird das jedoch nicht passieren: „Noch hat Johnson nichts gemacht, es wäre unklug, ihn vor der Sommerpause abzuwählen“, sagt sie im KURIER-Gespräch.
Geplänkel mit Corbyn
Die oppositionelle Labour-Partei sieht derzeit noch keine definitive Mehrheit im Unterhaus, die Johnson tatsächlich stürzen könnte. Die Johnson-Gegner in den Reihen der Tories würden dem neuen Premier die Chance geben wollen, mit Brüssel zu verhandeln und einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Würden sie das Votum verlieren, könnte das Johnson einen großen Vorteil verschaffen. Trotzdem spuckte Labour-Chef Jeremy Corbyn Gift und Galle nach Johnsons Wahlsieg: „Die Bevölkerung unseres Landes sollte in einer Parlamentswahl entscheiden, wer Premierminister wird“, schrieb er auf Twitter und meinte, das Land stehe nicht hinter Johnson.
Anders sieht das die letzte Umfrage vor der Wahl Johnsons: Hätten die Briten Mitte Juli gewählt, hätten die Tories mit 25 Prozent gewonnen – vier Punkte vor Labour.
Ab dem 3. September, wenn die Sommerpause des Unterhauses vorbei ist, brechen jedoch andere Zeiten an: Da muss Johnson zeigen, dass er seine Ankündigungen wahr machen kann und tatsächlich Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen rund um den sogenannten Backstop an der nordirischen Grenze bringt.
Problem Backstop
Laut Sully hat er dabei zwei Möglichkeiten: „Eine politische Erklärung, in der die Regierung klarmacht, dass sie die „Scheidungsgelder“(43 Milliarden Euro) nicht überweist, solange es keine Handelsabkommen gibt, wäre eine Option“, sagt sie. Allerdings wird Johnson auf eine EU treffen, die sich betont sicher gibt (mehr dazu unten).
Eine zweite Möglichkeit wären alternative Regelungen an der nordirischen Grenze: „Es gibt tatsächlich bereits fertige Pläne, selbst Angela Merkel soll dafür Verständnis und Gesprächsbereitschaft zeigen“, sagt Sully.
Gelingt Johnson keine Einigung – für die er auch die Zustimmung des Unterhauses benötigen würde –, könnte ihn die Opposition knapp vor dem Austrittstermin am 31. Oktober stürzen und Neuwahlen einleiten. Es sei denn, er kommt ihnen zuvor: „Er weiß genau, dass er, wenn er den Brexit nicht zustande bringt, von Nigel Farage und dessen Brexit-Partei inhaliert wird“, analysiert Sully. Daher könnte es auch sein, dass Johnson im Falle gescheiterter Verhandlungen selbst Neuwahlen vom Zaun bricht und damit die Flucht nach vorne antritt. Derzeit rangiert die Brexit-Partei ungefähr gleichauf mit Labour, im Mai hatte sie bei den EU-Wahlen mehr als 30 Prozent geholt.
Iran als Feuerprobe
Während der Sommerpause wird Johnson keine Ruhe finden: Nach den angekündigten Rücktritten einiger Minister muss er ein neues Kabinett bilden und die Krise am Persischen Golf lösen. Von dort kamen am Dienstag immerhin Glückwünsche: „Ich gratuliere meinem früheren Gegenüber Boris Johnson, dass er Premierminister des Vereinigten Königreiches geworden ist“, schrieb der iranische Außenminister Mohammad Zarif. Er kritisierte aber auch das Vorgehen der derzeitigen britischen Regierung: „Die Beschlagnahme von iranischem Öl durch die May-Regierung auf Geheiß der USA ist Piraterie, ganz einfach.“
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