Johnson kämpft mit Härte gegen Migranten ums politische Überleben
Im Kampf ums politische Überleben fährt Boris Johnson jetzt schwere Geschütze auf. „Johnson ruft das Militär, um den Flüchtlingsstrom einzudämmen“, titelt die Times.
Die Marine soll gegen Migrantenboote im Ärmelkanal zum Einsatz kommen. Asylsuchende sollen in Drittstaaten, möglicherweise Ghana oder Ruanda, abgeschoben werden, bis über ihren Antrag entschieden ist. Den Ländern sollen „Hunderte Millionen Pfund im Jahr“ geboten werden.
Aus dem Sumpf ziehen
Das härtere Vorgehen gegen illegale Einwanderer ist nur eines der populistischen Zuckerln, mit denen der Premier enttäuschte Wähler locken und seine Partei hinter sich vereinen will. Vor allem den rechten Parteiflügel will er laut dem Nachrichtenportal Politico beschwichtigen, um die eigene Haut zu retten.
„Operation Red Meat“ ist der Codename für diese Strategie, sich wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf negativer Schlagzeilen zu ziehen.
Partygate
Denn Johnson ist schwer angeschlagen von der „Partygate“-Affäre um diverse Feste von Regierungsmitarbeitern im Amtssitz Downing Street. Sie hat die Umfragewerte des Premiers und seiner konservativen Tories abstürzen lassen; bisher haben sechs seiner Mandatare seinen Rücktritt gefordert.
Voller Spannung wartet das Land jetzt auf einen Bericht über die interne Untersuchung der Feste. Darin werden keine direkten Anschuldigungen gegen Johnson, der bereits vor der Ermittlerin aussagen musste, erwartet. Aber je nach Tonfall könnten ihm weitere Abtrittsgesuche drohen: 54 davon würden zu einem Misstrauensvotum innerhalb der Fraktion führen.
Johnson geht schon jetzt in die Offensive und setzt auf Strafen und Belohnen. In einem Rundumschlag plant er, enge Mitarbeiter als Prügelknaben zu feuern.
Gleichzeitig will er mit einer Reihe politischer Ankündigungen Gemüter in den eigenen Reihen beruhigen und, so die Times, Zweifler „an den alten Boris erinnern“, also den populistischen Haudegen, der die letzte Wahl überlegen gewann.
Fernsehgebühren
Auf diesem Zuckerbrot-Menü steht auch das Einfrieren der jährlichen BBC-Gebühren bei 190 Euro auf zwei Jahre und ihre Abschaffung 2027. Denn viele Tories kritisieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft und gerne.
Ebenfalls im Köcher hat Johnson laut Medien Ankündigungen zum Abbau des Rückstaus im Gesundheitswesen, dem Ende aller Corona-Restriktionen in England und seinem alten Wahlkampf-Slogan „Levelling Up“, also dem Ausgleich von Ungleichheiten im Land.
Kritiker wie der Tory-Abgeordnete Tobias Ellwood sehen in alldem allerdings nur den Versuch einer „massive Ablenkung“ Johnsons von einer selbstgeschaffenen Misere. Er warnt in Interviews mit dem Independent, dass seine politische Selbstrettungs-Manöver nur nach kosmetischen Änderungen aussehen. „Sein gesamtes Team muss umgestellt werden, um verantwortungsvolle Führung, Strategie und Standards erheblich zu verbessern“ und eine wahre Wende zu garantieren, meinte er.
Die Zeitung schlug deshalb einen anderen Codenamen für Johnsons derzeitige Pläne vor: „Operation Dead Meat“, also „Operation Bald Weg Vom Fenster“.
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