Wie wurde Jewgenij Prigoschin, was er ist – nicht nur millionenschwerer Oligarch, sondern auch der eifrigste Dienstleister Putins, der gegen dessen Gegner ins Feld zieht und den Kritiker schlicht als „irre, und das im schlechten Sinne“ bezeichnen?
Um das zu verstehen, muss man 30 Jahre zurückschauen. In der Sowjetzeit wegen Raubes, Betrugs und Prostitution von Jugendlichen zu neun Jahren Haft verurteilt, stieg der Petersburger in den korrupten 1990er Jahre unaufhaltsam nach oben. Nach seiner Freilassung verdingte er sich nur kurz als Hot-Dog-Verkäufer, wenig später besaß er zwei Luxusrestaurants in seiner Heimatstadt. Dort saß eines Tages ein besonderer Gast: Wladimir Putin, damals noch in der Stadtverwaltung, kehrte als Präsident gerne an Prigoschins Tisch zurück – mit Gästen wie Gerhard Schröder, Jacques Chirac oder George W. Bush.
Freundschaftsdienste
Auch umgekehrt kam es wohl zu Freundschaftsdiensten. Denn nicht viel später hatte „Putins Koch“, wie die Medien ihn seit damals nannten, neben den Restaurants noch andere Einkommensquellen. Zunächst versorgte er Kindergärten und Schulen mit Essen, später die gesamte Armee. Ein einträgliches Geschäft: Ein Drohnenflug von Nawalnys Team über dessen Ländereien zeigt jedenfalls ein Schloss, einen Helikopterlandeplatz, eine Yacht – wohl nur ein Bruchteil seines Vermögens.
Dass sein auf Milliarden Rubel geschätzter Reichtum nicht nur aus Schulessen stammt, wirft Nawalny ihm schon seit Langem vor. Er und Medien wie Proekt, Dovod oder Meduza recherchierten, dass er sich auch in afrikanische Wahlen einmischte, aus dubiosen Deals viel Geld bezog: und dass er an der berüchtigten Wagner-Gruppe beteiligt ist. Das sind Söldner, die am offiziellen Heer vorbei in Kriegsschauplätzen wie Syrien oder der Ukraine eingesetzt werden – mit dem inoffiziellen Sanktus des Kremls, versteht sich.
Wenig Wunder also, dass Nawalny und Prigoschin eine besondere Feindschaft verbindet. Dass Nawalny jüngst enthüllte, eine Prigoschin nahe stehende Cateringfirma habe bei 130 Moskauer Kindergartenkindern lebensbedrohliche Ruhrerkrankungen zu verantworten, hat das Fass offenbar endgültig zum Überlaufen gebracht.
Seither deckt Prigoschin Nawalny und alle mit ihm verbundenen Medien mit Klagen ein, lässt sie zu Strafzahlungen verdonnern – er will sie „nackt machen“, sagte er. Mit Erfolg: Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung ist seit Sommer in Konkurs, seine persönlichen Konten gesperrt; und in Prigoschins eigenen Medien – er hat seine Trollfabrik mittlerweile in ein riesiges Medienimperium namens Patriot ausgebaut, das in puncto Reichweite nur knapp hinter Russia Today liegt – wird Nawalny wo es nur geht diffamiert.
Bleibt die Frage, warum Prigoschin das eigentlich tut. „Er will Nawalny davon abhalten, wieder nach Russland zu kommen“, sagt Politologe Pawel Salin in der Zeitung Kommersant. Freilich, dem Kreml wäre das auch nicht unrecht; Prigoschin dürfte aber auch selbst davon profitieren: Er will 2021 mit der Partei Rodina, einem Kreml-Projekt, in die Duma einziehen – das brächte ihm Macht und politische Immunität. Aufdecker kann er da nicht brauchen. Der Oligarch selbst dementiert seine Pläne freilich. „Dann könnte ich ja nichts mehr stehlen und hätte vom Sitzen nur eine Menge Hämorrhoiden“, sagte er Meduza, das seine Ambitionen aufdeckte.
Das Spiel mit dem Bösen, das kann Prigoschin; das weiß man auch im Kreml. Schon zu Petersburger Zeiten schätzte es Putin, dass sich Prigoschin nie vor der dreckigen Arbeit drückte. Damals servierte er aber nur schmutzige Teller ab – nicht Putins Gegner.
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