Der Diplomat James O'Brien war unter Joe Biden für die Beziehungen zu Europa zuständig. Nun beobachtet er von Wien aus das angespannte Verhältnis Brüssel-Washington.
Bomben auf den Iran; gestrichene Gelder für die Entwicklungshilfe; Gebietsansprüche auf Kanada und Grönland; antieuropäische Rhetorik;Zölle, Zölle, Zölle: Seit Donald Trump wieder Präsident der USA geworden ist, hat sich die amerikanische Außenpolitik enorm gewandelt. James O’Brien kennt das Weiße Haus von innen. Bis Jänner, also bis Trump übernahm, war der Diplomat im Außenministerium unter Joe Biden für die Beziehungen zu Europa zuständig. Jetzt ist er Gastforscher am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien – und beobachtet von hier aus, wie es mit dem angespannten Verhältnis Brüssel-Washington weitergeht.
KURIER: Wie hat sich die Rolle der USA in der Welt seit Jänner verändert?
James O’Brien: Präsident Trump hat in den vergangenen Monaten versucht, die Bedingungen zu ändern, unter denen Amerika sich in der Welt engagiert. Seine Einreisebeschränkungen etwa sind eines der offensichtlichsten Zeichen dafür. Ich halte sie für schrecklich. Sie stehen im Widerspruch zu den Werten des Landes, das ich liebe.
Trump und sein Umfeld glauben, dass Amerika als weiße christliche Nation geboren wurde und das auch bleiben sollte. Ich denke, wir sollten weiterhin von all dem Talent profitieren, das die Welt uns bietet. Die Soft Power Amerikas rettet Leben und schafft enormes Wohlwollen, das sich in Sicherheitsgewinnen auszahlt. Er opfert all das. Und er ist der Ansicht, dass die Verbündeten der USA uns ausnutzen. Da liegt er falsch.
Eine sehr spekulative Frage, aber: Hätten die USA unter Präsident Biden oder einer Präsidentin Kamala Harris militärisch in den Israel-Iran-Krieg eingegriffen, so wie Trump es jetzt getan hat?
Das müsste man sie fragen. Ein paar Gedanken dazu: Die Nahost-Politik hat unsere Beziehungen zu Europa immer stark beeinflusst. Denn was auch immer die USA irgendwo auf der Welt getan haben, haben wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern gemacht. Nachdem die Hamas Israel angegriffen hat, sind wir sofort mit Europa in Kontakt getreten und haben uns beraten. So wäre das weitergegangen.
Die jetzt relevanten Fragen zum Iran sind: Erstens, warum war der Angriff gerade jetzt nötig? Ich denke, er wurde vom Zeitplan Israels getrieben. Und zweitens: Was passiert als nächstes? Der einzige Weg, um sicherzustellen, dass der Iran keine Atomwaffen besitzt, ist ein Abkommen genau darüber. Wir werden sehen, ob die US-Regierung mit europäischer Hilfe und den Staaten in der Region ein solches erreichen wird können.
Ex-Außenminister Blinken hat in der New York Times geschrieben: „Das Herzstück eines Abkommens ist die Überprüfung.“ Im Rahmen des 2015 unterschriebenen Atom-Abkommens JCPOA hat der Iran einer vollständigen Überprüfung durch die IAEA (die Internationale Atomenergieagentur mit Sitz in Wien, Anm.) zugestimmt. Trump hat es aufgekündigt. Die Geheimdienstberichte, die den aktuellen Angriff rechtfertigen sollen, deuten darauf hin, dass der Iran sein Waffenprogramm seit dem Ende des JCPOA ausgeweitet hat. Ein neues Abkommen müsste dem, das wir bereits hatten, sehr ähnlich sehen.
Sie haben im Außenministerium unter Biden die Sanktionen koordiniert. Wie beurteilen Sie denn Trumps Sanktionspolitik?
Seit Trump in den 1980er-Jahren Geschäftsmann war, verfolgt er Deals mit Russland. Menschen in seinem Umfeld sagen ihm, dass dort viel Geld zu verdienen sei – insbesondere mit Rohstoffen und Energie. Das interessiert ihn also. Es ist seine Art, Erfolg zu messen. Deshalb ist sein Sondergesandter für die Verhandlungen mit Russland auch ein Immobilienentwickler und nicht jemand mit sicherheitspolitischem Hintergrund.
Solche Geschäfte sind aber immer schwieriger geworden – weil die Russen stärker an der Ukraine interessiert sind als am Geldverdienen und weil Europa diese Gewinne erschwert, dürfte das Interesse des Präsidenten an solchen Deals ebenfalls nachlassen. Die Bemühungen der Biden-Regierungen, es Russland schwerer zu machen, den Krieg fortzuführen, setzt er aber nicht fort.
Doch auch Europa könnte hier viel mehr tun. Russland kann exportieren und Sanktionen umgehen, weil es über eine Schattenflotte von Tankern verfügt. Diese stellen ein Unfallrisiko dar, sind schlecht bemannt, und sie laufen auf dem Weg von Russland nach Indien und China europäische Häfen an. Europa könnte das unterbinden, ohne viel Unterstützung der USA dafür zu brauchen.
James O’Brien ist seit Jahrzehnten Diplomat. Während der 90er-Jahre war er unter Clinton Sondergesandter für den Balkan und später unter Obama für Geiselfälle zuständig. Unter Biden leitete er erst die Sanktionskoordinierung im Außenministerium und war dann bis zum Ende von dessen Amtszeit mit den europäischen und eurasischen Angelegenheiten beschäftigt.
Sie waren auch Staatssekretär für Europa. Militärisch über die NATO, aber auch handelspolitisch war lange klar: Brüssel und Washington sind Verbündete. Wie sieht das heute aus?
Trump neigt dazu, zu Verbündeten härter zu sein als zu Feinden. Der einzige Trost, den ich daraus ziehe, ist: Er will die Allianz aufrechterhalten, damit er weiterhin so hart auftreten kann. Wenn es keine Beziehung gäbe, hätte er hier keinen Einfluss. Deshalb denke ich, dass er diese Beziehung braucht.
Das Hauptanliegen meiner Arbeit hier in Wien: Unsere europäischen Partner müssen uns die Tür offenhalten. Denn es gibt Themen, bei denen wir zusammenarbeiten müssen – Themen, die über den Wohlstand der Zukunft entscheiden: Energie, Künstliche Intelligenz, medizinischer Fortschritt, Verteidigung. Arbeiten wir gemeinsam daran, setzen wir die Standards, denen die Welt folgen wird. Spalten wir uns, wird China versuchen, uns einzeln zu schwächen – und am Ende sind wir weniger wohlhabend und einflussreich.
Was würden Sie Europa dann raten, wie soll es die nächsten Jahre mit Trump umgehen?
Trump will jeden Morgen die Schlagzeilen beherrschen – indem er provoziert. Dann beobachtet er, was er damit auslöst. Der Schlüssel im Umgang mit ihm besteht darin, ihn auf Themen zu lenken, die akzeptabler sind. Beim NATO-Gipfel diese Woche haben wir gesehen, wie Mark Rutte (NATO-Chef, Anm.) versucht hat, ihn darauf zu fokussieren, dass Europa mehr für die Verteidigung ausgeben wird. Dass es die schwierigen Aufgaben übernimmt, um die Ukraine zu unterstützen, damit Amerika das nicht tun muss. Wenn Trump einen großen Sieg für sich sieht, lobt er das.
Eben weil er jeden Tag für ihn gute Nachrichten präsentieren will, liegt eine Schwäche von ihm zudem im Timing. Trump will einen großen Sieg in den Handelsgesprächen erringen. Die EU-Kommission wartet jetzt ab, bis Trump ein Abkommen als Schlagzeile dringend braucht. Denn dann ist er eher bereit, einem Deal zuzustimmen, der für ihn ungünstiger ist. Das Vereinigte Königreich hat das bereits so gemacht.
Gerade im Bereich Wissenschaft, den Sie angesprochen haben: Wie hilfreich können die USA nach vier Jahren Trump als Partner für die EU überhaupt noch sein?
Die Trump-Regierung will nicht nur das Gleichgewicht in den transatlantischen Beziehungen verschieben, sondern untergräbt die Fähigkeit der USA, überhaupt ein guter Partner zu sein, etwa durch die Angriffe auf Universitäten. Auch viele der großen sicherheitspolitischen Fortschritte – bunkerbrechende Waffen, das Internet, Satelliten – stammen aus staatlich finanzierter Forschung. Der Umgang mit Gesundheitsbedrohungen ist ebenfalls nur durch öffentlich geförderte Forschung möglich. All das wird gerade zerstört.
Meine Hoffnung ist, dass dieser Angriff in unserem politischen System verlangsamt und gebremst wird, vor allem im Hinblick auf das kommende Jahr (2026 finden die US-Zwischenwahlen statt, Anm.) Aber es ist hilfreich, wenn Stimmen von außerhalb der USA deutlich machen, dass sie weiter kooperieren wollen. Das kann dazu beitragen, dass Menschen im Inneren mehr Mut fassen und für das einstehen, woran sie glauben. Weil sie wissen: Es wartet ein Partner auf sie, wenn dieser Sturm vorüber ist.
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