Diese ist in Italien seit 2004 verboten und sieht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zwei Jahren vor, plus eine Geldstrafe von 600.000 Euro bis eine Million Euro. Vorige Woche fügte das Parlament einen Paragrafen hinzu, in dem die Leihmutterschaft zum "Universaldelikt" erklärt wurde. Das heißt, italienische Staatsbürger machen sich auch dann strafbar, wenn sie im Ausland darauf zurückgreifen.
"Natürlich kann man gegen die Praktik der Leihmutterschaft sein", sagt Saraceno. "Dieser Regierung geht es aber nicht darum generell, sondern um die Durchsetzung ihrer Vision von Familie."
Von der Feministin zur Hüterin der Tradition
Mit der Aufgabe, die Familienpolitik in diesem Sinne zu steuern, wurde die Ministerin Eugenia Roccella beauftragt. Saraceno zufolge hat Roccella in den 70er-Jahren zu Italiens radikalsten Feministinnen gezählt. So verglich Roccella damals einen Schwangerschaftsabbruch mit einem "Blutgerinnsel". "Doch wie so oft werden die Geläuterten zu den strengsten Hütern der bis dato bekämpften Werte und Positionen", betont Saraceno.
Auch schon am Schwangerschaftsabbruch wurde herumgewerkelt. So stehen Frauen, die sich dazu entschieden haben, unter immer stärkerem psychologischen Druck. Vor allem seitens der Pro-Vita-Organisationen, die sie vor und nach dem obligatorischen Beratungsgespräch abpassen und bedrängen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.
"Freilich ist es gut, dass Familienpolitik jetzt im Zentrum steht. Was mir nicht gefällt ist – wie schon gesagt – der ideologische Ansatz", fährt Saraceno fort. Sie erzählt von einem Meinungsaustausch mit einer Abgeordneten aus dem Rechts-Mitte-Lager. Die Politikerin beklagte den Egoismus und den Individualismus, der dazu führe, keine Kinder mehr zu wollen. Das sei früher nicht so gewesen. Saraceno kritisiert auch die Wortwahl von Papst Franziskus. Dieser nannte Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführten, unlängst "Sicari", also "Auftragsmörder", und sagte über Frauen ohne Kinder, dass ihnen Katzen und Hunde lieber seien.
100 Euro Bonus – für Verheiratete
Ein weiteres Beispiel für das traditionelle Frauen- und Familienbild der jetzigen Regierung ist der 100 Euro Bonus, den es dieses Jahr zusätzlich zum Weihnachtsgeld geben wird. Ihn bekommen nur verheiratete Paare mit Kindern, oder ein alleinerziehender Elternteil. Für Paare mit Kindern, die zusammenleben, aber nicht verheiratet sind, gibt es nichts, ganz zu schweigen von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern. Kurz nach dem Amtsantritt dieser Regierung ordnete der Innenminister den Präfekturen an, nur die biologische Mutter oder den biologischen Vater als Elternteil einzuschreiben. Partnerin oder Partner müssten einen Adoptionsantrag stellen.
Auch das Instrument der Elternzeit spiegelt in gewisser Weise das traditionelle Familienbild wider. Sie beträgt insgesamt drei Monate und sieht 30 Prozent des Gehalts vor. Melonis Regierung erhöhte den Betrag zuerst für den ersten Monat auf 70 Prozent, dann auch für den zweiten, jetzt sollen es auch für das dritte Monat Karenz 70 Prozent sein. Vorausgesetzt, Vater und Mutter wechseln sich ab. "Diese Bedingung wird aber kaum vermittelt", kritisiert Saraceno. Weil die Männer sowieso weiter keinen Gebrauch davon machen würden, heißt es. Das sei aber falsch, meint die Soziologin. "Dass Männer bei 30 Prozent des Gehalts kein Interesse hatten, ist nachvollziehbar. 70 Prozent könnten aber auch sie reizen."
Meloni, übrigens unverheiratete Mutter einer Tochter und mit dem Vater des Kindes nicht mehr zusammen, sagte einmal, sie halte nichts von Frauenquoten, werde aber alles dafür tun, damit Frauen nicht mehr auf ihre Träume verzichten müssten. Man wartet gespannt.
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