Letta gewinnt Kraftprobe gegen Berlusconi

In letzter Sekunde lenkte der Cavaliere ein: Er unterstützte Premier Letta doch noch bei der Vertrauensabstimmung.

Wir können jetzt in die Zukunft blicken“, sagte Premier Enrico Letta am Mittwoch, sichtlich erleichtert. Nach heftiger Regierungskrise kam am Mittwoch die Wende. Nachdem Ex-Premier Silvio Berlusconi das Kabinett Letta zu Fall bringen hatte wollen, änderte der 77-jährige Ex-Regierungschef kurz vor dem Vertrauensvotum im Senat überraschend seine Meinung. Nach „innerer Qual“ teilte Berlusconi sein „Ja“ zur Regierung Letta mit.

Die Abstimmung gewann Letta schließlich mit klarer Mehrheit sowohl im Senat, als auch später am Abend in der Abgeordnetenkammer.

Berlusconis Kurswechsel in letzter Minute konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) in Trümmern liegt. Der „letzte Kampf“ (Corriere della Sera) vor seinem bevorstehenden Senatsausschluss am Freitag ist gescheitert.

Auch du, Angelino?

Zum Bruch kam es, als Berlusconi im Alleingang über die Köpfe seiner Parteimitglieder den Rückzug von fünf Ministern anordnete. Danach riss auch seinem treuen Verbündeten und als „Ziehsohn“ titulierten Vizepremier, Angelino Alfano, die Geduld. Zum ersten Mal widersetzte sich der 43-jährige Sizilianer seinem Chef. Offen rief Alfano seine Parteikollegen zur Unterstützung Lettas auf. „Ich bin Opfer eines Vatermordes“, klagte Berlusconi in Anspielung auf Alfanos Alleingang dem Wochenmagazin Panorama.

Berlusconis Kehrtwende konnte die abtrünnigen Parlamentarier nicht mehr von der Gründung einer neuen Gruppierung abhalten. Sie reichten die Gründung einer eigenen konservativen Parlamentsfraktion nach dem Modell der Europäischen Volkspartei (EVP) ein, wie PdL-Senator Roberto Formigoni bekannt gab. Angeblich wollten sich der Gruppierung insgesamt 26 frühere PdL-Abgeordnete anschließen. Im Senat kursierte eine Liste mit handgekritzelten Namen von PdL-Politikern, darunter Reformminister Gaetano Quagliarella, die sich vom Cavaliere abwenden. Berlusconi wirkte im Senat angespannt und erschöpft.

Letta bekam auch Zuspruch von einigen Parlamentariern der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S), die von den Launen des autoritären Komikers Beppe Grillo genug haben. Mit Schimpf-Tiraden und Drohungen reagierten M5S-Vertreter auf den Partei-Austritt von fünf Grillo-Senatoren. „Wir warten vor dem Parlament auf dich“, schüchterten sie Senatorin Paolo de Pin ein.

Premier Letta betonte in seiner 50-minütigen Rede, die Zukunft der Regierung müsse von Berlusconis juristischen Problemen unabhängig sein, sonst drohten Italien große Risiken. An Berlusconis Adresse sagte Letta: „In einem demokratischen Staat respektiert man Urteile.“ (Gemeint: der drohende Senatssitz-Verlust nach Verurteilung wegen Steuerhinterziehung.)

Auf Taten warten

Der 47-jährige Letta sprach in seinem Exkurs über die Wirtschaftskrise, über die hohe Arbeitslosigkeit, wies darauf hin, dass Leute ohne Job auf konkrete Taten der Regierung warteten und erinnerte an Italiens EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2014. Letta versicherte, dass seine Regierung den Steuerdruck nicht erhöhen werde. Das Land müsse einen internen Stabilitätspakt zur Förderung von Investitionen abschließen. „Ohne Investitionen gibt es weder Innovation noch Wachstum“, so Letta. Italien gewinne nur mit Stabilität Glaubwürdigkeit in Europa.

Das politische Chaos hatte in den vergangenen Tagen zu Kursstürzen an der Börse und zu Verunsicherung in Brüssel geführt. Die Mehrheit der Italiener war laut Umfragen gegen einen Sturz.

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