Israels zweiter Lockdown: Nur noch zehn beim Gebet
Israel feiert ab Samstag seine jüdischen „Hohen Feiertage“. An diesem Wochenende Neujahr, gefolgt vom Versöhnungsfest Jom Kippur und Anfang Oktober dann das Laubhüttenfest. Tage der Buße, Versöhnung und stillen Einkehr. Wie geschaffen für einen Corona-Lockdown, der so wenig wie möglich den geschäftigen Alltag unterbrechen soll. Bei fast 6000 Neuansteckungen allein am Donnerstag und deutlich steigenden Krankenzahlen auf den Intensivstationen ist niemand überrascht. Patienten werden von Jerusalem nach Tel Aviv verlegt, wo die Corona-Lage ruhiger ist.
Stille Einkehr? Wenige Stunden vor Beginn des Ausgehverbots kam es am Freitag zu Verkehrsstaus im ganzen Land. Wie jedes Jahr waren Tausende unterwegs zu ihren Familien – und in eine juristische Grauzone: „Wer vor dem Fahrverbot sein Haus verlassen hat, kann von der Polizei nicht für die Rückfahrt im Lockdown bestraft werden“, rieten Juristen in den Netzwerken.
6000 Polizisten stehen an den wichtigen Stadtzufahrten und Knotenpunkten, um die Einhaltung der Verbote zu kontrollieren. Diese sind in den nächsten Wochen nicht so streng wie beim letzten Lockdown im Frühjahr.
Damals durften sich Spaziergänger nur 100 Meter von ihrem Haus entfernt aufhalten. Diesmal sind es 500 Meter, öffentliche Parkanlagen in diesem Radius dürfen betreten werden. Auch Einzelsport ist diesmal nicht verboten. Übertretungen werden mit 120 Euro Bußgeld bestraft. Auch der „nicht zweckgebundene Aufenthalt in einer fremden Wohnung“. Doch neben Supermärkten und Apotheken dürfen auch Optiker und Elektronikwerkstätten Kunden empfangen.
„Vorrangig ist für uns diesmal, Menschenansammlungen zu verhindern“, betonte Amichai Esched, Polizeichef des Tel Aviver Großraums. Dazu gehören Familienfeiern am runden Tisch wie Sonnenbaden am Strand. Das traditionelle Gebet zur „Sünden-Auskehr“ zieht sogar fromme Juden an den Strand, die diesen sonst eher meiden. Und gerade an den hohen Feiertagen werden die Synagogen von sonst eher unfrommen Israelis besucht.
Die Polizei wird es schwer haben. Im Freien dürfen nur 20 Personen zusammenstehen. In geschlossenen Räumen nur zehn – die Mindestzahl beim jüdischen Gemeinschaftsgebet.
Baden ja, Strand nein
Die Bereitschaft der Öffentlichkeit, den Anweisungen der Obrigkeit zu folgen, ist im Vergleich zum ersten Lockdown deutlich gesunken. Sind die Anweisungen doch oft widersprüchlich. So hieß es noch am Donnerstag, Baden im Meer sei erlaubt, der Aufenthalt am Strand aber nicht.
Widersprüche, die wohl in der Uneinigkeit der Mediziner selbst und ständigen Reibereien zwischen Experten und Politikern ihre Ursachen haben dürften. Wobei die Experten eher am Erfolg dieses Lockdowns zweifeln. Premier Benjamin Netanjahu, im Frühjahr stolz auf das Vorzeigeland Israel bei den Maßnahmen gegen die Pandemie, sagte indes am Donnerstag: „Zeigen die Schritte keine Wirkung, werden wir sie nach einer Woche verschärfen.“
Briten vor Lockdown?
Wegen der sich dramatisch verschlimmernden Corona-Lage könnte auch Großbritannien wieder ein Lockdown drohen. Laut Financial Times soll der Lockdown nach einer Empfehlung des wissenschaftlichen Beratergremiums der Regierung während der Schulferien im Oktober stattfinden.
„Wir möchten einen nationalen Lockdown vermeiden, aber wir sind darauf vorbereitet“, räumte Gesundheitsminister Matt Hancock am Freitag ein. Nicht nur Infektionen würden tark zunähmen, auch die Zahl der Covid-19-Patienten in Kliniken steige. Man setze aber zunächst auf lokale Beschränkungen.
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