Israels Jubel – und Trumps Nahost-Erfolg

Omri Miran und sein Vater Dani wieder vereint.
Freudentaumel in ganz Israel. Nach zwei Jahren Krieg, Geiselkerker, Ungewissheit, Warten, Angst und Psycho-Terror der islamistischen Hamas-Herrscher aus dem Gazastreifen, umarmten die Angehörigen der israelischen Geiseln am Montagmorgen ihre Liebsten. Mütter ihre Söhne, Väter ihre kleinen Kinder, die sich nach zwei Jahren Trennung kaum noch an sie erinnern.
„Der Krieg ist zu Ende“, bekräftigt US-Präsident Donald Trump immer wieder. Israels Premier Benjamin Netanjahu sieht es nicht ganz so: „Dieser Waffengang ist noch nicht vorbei. Wir bleiben dran.“
„Romeo und Julia“
Noa Argamani, im Vorjahr selbst noch Geisel und jetzt „Israels Julia“, umarmte ihren „Romeo“, den Verlobten Avinatan. Aus seinen Armen rissen die in Südisrael wütenden Hamas-Terroristen Noa am 7. Oktober 2023. Einav Zangauker, umarmte endlich ihren Matan. Sie war zwei Jahre Netanjahus Albtraum. Wo er sich zeigte, war sie auch. Und schrie ihm ihr verzweifeltes „Dai!“ nach. „Mach Schluss!“ Noch lauter, wenn die Regierung die Verhandlungen wieder mal verzögert hatte. Neben der Fernstraße 232 legte die Hamas am 7. Oktober 2023 ihre Blutspur – über 1.200 Ermordete und Tausende Verwundete.
Die Straße des Massakers. Statt der gelben Fahnen, die bis Sonntag an die Gefangenen erinnerten, flattern jetzt gelbe Bänder von den Bäumen. Das weltweite Signal erfüllten Wartens. Trump erinnerte in seiner Rede vor dem Parlament daran, dass die Niederlage der Hamas auch in arabischen und moslemischen Staaten auf den Straßen bejubelt wurden. In Nahost beweist sich Trump als Deal-Maker. Seine Welt ist der Abschluss von Verträgen. Er betont es in seiner Rede. „Darin bin ich gut. Wirklich gut.“ Im Parlamentssaal der Knesset erwartet Trump frenetischer Beifall. Auch von der Opposition.

Oppositionssprecher Yair Lapid erinnerte daran, dass er zum Amtsantritt versprochen habe, ein Friedenspräsident zu werden. „Sie haben ihr Versprechen gehalten.“ Netanjahu sprach nur vom „Frieden“ als Zukunftsmusik. Mit allen Nachbarstaaten, vor allem den weiter entfernten.
Trump: "Gaza wieder aufbauen"
Die palästinensische Autonomieregierung schloss er von einer Regierungsbeteiligung im Gaza der Zukunft ausdrücklich aus. Was Trump diplomatisch auffing: Jetzt gehe es darum, zusammen mit den reichen Ölstaaten, Gaza wieder aufzubauen. „Die leidenden Kinder dort haben es verdient.“
Er lobte Israels militärische Fähigkeiten und Erfolge, mahnte aber auch deren politische Umsetzung im Umgang mit den Nachbarn an. „Ihr solltet nicht Feinde sein. Ihr solltet Freunde werden.“
Nur gemeinsam seien Israel mit seinen neuen Verbündeten stark genug, gegen die „Kräfte des Bösen“ anzugehen. Er habe dafür die nuklearen Pläne des Iran gestoppt: „Nukleare Zerstörung werden wir niemals zulassen. Niemals.“ Im diplomatischen Handel denkt Trump mehrere Schritte voraus. Sein Image als launischer Wüterich kann er dabei gezielt einsetzen. Gerade in Nahost. Letztlich aber, so die alles andere als Trump-freundliche Zeitung Haaretz, steht er in der Tradition Kissingers. Wie dieser weiß er, die geballte US-Power militärisch ein- und politisch umzusetzen. Zum Nutzen der USA.

Parallele zur Seidenstraße
Für ihn, den mächtigsten Mann der Welt, ist der lokale Konflikt im Gazastreifen Vergangenheit. Jetzt geht es ihm um die Ausweitung der Waffenruhe auf die gesamte Region. Auf die arabischen Ölstaaten am Golf „und noch darüber hinaus“.
Vor zwei Jahren noch unmöglich, sei sogar eine Beteiligung Syriens und Libanons vorstellbar. Trump plant IMEC, die Landbrücke von Indien über Nahost nach Europa. Eine Parallele zur neuen chinesischen Seidenstraße. Gelenkt von den USA. Er gibt seinen Bündnispartnern die Richtung vor. In überraschendem Trump-Zickzack.
In einem unangekündigten Telefonat mit Ägyptens Präsidenten Abdel Fatach al-Sissi beschafft er Netanjahu doch noch eine Einladung Netanjahus zum regionalen Friedensgipfel in Scharm-al-Scheych. Neben 20 weiteren Regierungschefs aus aller Welt. Doch Israels Premier lehnt dankend ab. Er möchte nicht den bevorstehenden jüdischen Feiertag schänden. Sagt er. Andere sagen: Er möchte nicht die Hände des PA-Präsidenten Machmud Abbas drücken. Denn das könnte seine rechtsextremistischen Minister vergraulen.
Neue Probleme in Gaza
Beim Friedensgipfel im Sinai mit dabei sind die Staatschefs aus Ägypten, Katar und der Türkei. Sie konkurrieren um die Führungsrolle in der sunnitischen Welt. Doch Trumps Beharren führte sie in den Verhandlungen zum gemeinsamen und entscheidenden Druck auf die Hamas. Wobei sich die Probleme im Gazastreifen sofort nach Beginn der Waffenruhe zeigten.
Bewaffnete Hamas-Kämpfer übernahmen die Kontrolle der Straßen. Der Krieg gegen Israel ist zu Ende, der Krieg gegen das eigene Volk geht weiter. Drohszenarien mit Hinrichtungsmorden auf offener Straße sind in den Netzwerken zu sehen. Was bereits ein Bruch des unterzeichneten 20-Punkte-Programms ist. Sieht es doch die Demilitarisierung des Streifens vor. Auch den Ausschluss der Hamas von der Regierungsmacht. Auf dem Nahost-Gipfel wird also noch sehr viel zu regeln sein. Und doch: Der Krieg ist vorbei. Die Geiseln sind frei.
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