Wer sind die palästinensischen Gefangenen, die jetzt frei kommen?

250 palästinensische Gefangene, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen, und mehr als 1.700 Palästinenser, die nach dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 inhaftiert wurden. Sie waren das Faustpfand für die Hamas-Geiseln, die heute freigelassen wurden. Am Montagmittag verließen Busse mit palästinensischen Häftlingen das Ofer-Gefängnis im besetzten Westjordanland in Richtung Ramallah, wo Angehörige auf ihre Rückkehr warteten. Aufnahmen zeigen die Gefangene in den Bussen, jubelnd und mit den Fingern das Victory-Zeichen formend.
Die Stimmung vor dem Gefängnis war angespannt: Medienberichten zufolge warfen Palästinenser Steine auf die Autos der israelischen Streitkräfte; sie antworteten mit Rauchbomben.

Mitglieder von Hamas, Dschihad, Fatah und PFLP
Die Liste der befreiten Häftlinge umfasst Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad, der Fatah und der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die alle für Dutzende tödlicher Anschläge verantwortlich sind.
Von den 250 wegen Mordes oder Waffendelikten verurteilten Gefangenen sollen 154 abgeschoben werden, dürfen sich nicht in den palästinensischen Gebieten und in Israel aufhalten. Sie sollen nach Ägypten gebracht worden sein. Zuvor hieß es, Israel wolle diese Gruppe in Drittländer abschieben.
Zu den bemerkenswerten Freilassungen zählt Iyad Abu al-Rub, Kommandeur des Palästinensischen Islamischen Dschihad in Dschenin, verantwortlich für den Selbstmordanschlag auf dem "Shdei Trumot"-Markt im Juni 2003, den Anschlag im "Stage"-Club in Tel Aviv im Februar 2004.
Muhammad Zakarneh war ein Fatah-Agent und an mehreren Morden beteiligt. Mahmoud Qawasmeh war ein hochrangiges Hamas-Mitglied, wurde 2011 bereits einmal im Austausch gegen den israelischen Soldaten Gilad Schalit freigelassen – bei dem auch der Hamas-Chef Jaja Sinwar freikam. Er wurde nach Gaza gebracht und später erneut verhaftet. Mahmoud Issa war ebenfalls Hamas-Mitglied und war seit 1993 inhaftiert wegen Beteiligung an der Entführung und Ermordung. Raed Sheikh gilt als Hamas-nah; inhaftiert wurde er wegen seiner Beteiligung am Lynchmord an einem IDF-Soldaten in Ramallah im Jahr 2002. Er war zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt worden. Zakaria Zubeidi ist ehemaliger Kommandant der Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden in Dschenin, war an Schießereien und einem Bombenanschlag beteiligt, bei dem im Jahr 2002 in einem Wahllokal sechs Menschen getötet wurden.

Barghouti, "palästinensischer Nelson Mandela"
Eine von der Hamas geforderte Schlüsselfigur ist Marwan Barghouti, Drahtzieher der Zweiten Intifada, der fünfmal lebenslänglich plus 40 Jahre verbüßt, nachdem er 2004 wegen der Planung von Anschlägen verurteilt worden war. Fünf Zivilisten wurden getötet. Gleichzeitig gilt Barghouti als Vertreter einer Zwei-Staaten-Lösung. Mehrfach hatte die Hamas Barghouti bereits auf die Liste gesetzt, doch Israels Regierung lehnte kategorisch ab.
Barghouti gilt als einer der prominentesten Fatah-Führer im Westjordanland und stieg in der Bewegung bis zum Generalsekretär auf. Bis heute genießt er große Beliebtheit unter den Palästinensern; im Westjordanland findet man Porträts von ihm auf den Hauswänden, gleich neben dem früheren PLO-Chefs Jassir Arafat. Er genießt den Ruf eines charismatischen Politikers, der mit verschiedenen palästinensischen Fraktionen zusammenarbeitete. Einige nennen ihn deswegen sogar den "palästinensischen Nelson Mandela".

2002 wurde der heute 66-Jährige verhaftet, er bestritt stets die Vorwürfe und weigerte sich, die Legitimität des israelischen Gerichts, das ihn verurteilte, anzuerkennen. Zuletzt saß er in Einzelhaft; alle paar Jahre tauchen Fotos und Videos von ihm in Netz auf. Für seine Popularität verantwortlich ist auch seine Frau Fadwa Barghouti, die versucht, in der arabischen Welt Unterstützung für dessen Freilassung zu organisieren.
Eine Freilassung Barghoutis hätte nicht nur Gegnern der Netanjahu-Regierung in die Hände gespielt. Weil er als Konkurrent zum Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, gesehen wird, dürfte auch die PA kein großes Interesse an seiner Freilassung haben. Seine Popularität könnte die Macht und zukünftige Rolle von Abbas und dessen Umfeld in einer Regierung Gazas untergraben.

Fadwa Barghouti bei einer Demo für die Freilassung des Gefangenen Barghouti im Austausch gegen die Hamas-Geiseln am 19. August 2025 in Ramallah.
Ebenso nicht unter den Freigelassenen: Ahmad Sa'adat, Generalsekretär der Volksfront zur Befreiung Palästinas. Der 72-Jährige wurde 2008 zu 30 Jahren Haft verurteilt, nachdem er für schuldig befunden worden war, eine illegale Terrororganisation angeführt und an Angriffen beteiligt gewesen zu sein, darunter an der Ermordung des israelischen Ministers Rehavam Ze’evi im Jahr 2001.
Bei dem von den USA unterstützten Geiselnahme- und Waffenstillstandsabkommen im Jänner hatte Israel über 1.900 palästinensische Sicherheitsgefangene im Tausch gegen 33 Geiseln freigelassen. Unter den Freigelassenen damals befanden sich über 700 Häftlinge, von denen viele lebenslange Haftstrafen wegen Mordes verbüßten, sowie über 1.000 Palästinenser aus Gaza, die wegen angeblicher Verbindungen zur Hamas seit dem 7. Oktober 2023 inhaftiert gewesen waren.
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