Wie Israel mit mehr als 1,2 Millionen palästinensischen Vertriebenen verfahren will

In Rafah, wohin sich Hunderttausende geflüchtet haben, ist die Zerstörung jetzt schon enorm
Armee legte Pläne für Angriff auf Grenzstadt Rafah vor, aber auch Evakuierungspläne und Routen zur Versorgung der Zivilbevölkerung.

Israels Armee reagierte am Montag schnell auf die Mitteilung von Israels Premier Benjamin Netanjahu vom Vorabend, besser gesicherte Wege für die Lastwagen-Konvois mit humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza zu suchen. Noch am Mittag stand ein erster Lkw-Zug bereit: Er sollte auf einer neuen Route den Nachschub direkt aus Israel in den nördlichen Gazastreifen bringen. Die UNO hatte in der Vorwoche ihre Konvois aus Ägypten gestoppt. Sie waren auf dem Weg nach Norden immer wieder Opfer von Raubüberfällen geworden.

Mit Ideen für einen verbesserten Schutz der Hilfsgüter an die palästinensische Zivilbevölkerung legte Israels Armeeführung dem Kriegskabinett auch Pläne für weitere Evakuierungen vor. Mit der Verlegung riesiger Zeltstädte mit mehr als einer Million Flüchtlinge aus dem Süden bei Rafah an der ägyptischen Grenze. Vor allem aber in den westlichen Küstenstreifen zwischen den bereits im Dezember zerstörten Flüchtlingslagern Mwasi und Deir al-Ballah. Immerhin befinden sich in der Gegend mindestens 1,2 Millionen Vertriebene.

Die Sicherung der Konvois wie auch der Flüchtlinge hatte US-Präsident Joe Biden bereits in der Woche persönlich von Netanjahu gefordert. Davon sei weitere US-Hilfe an Israel abhängig. Netanjahu betonte am Wochenende in einem Interview mit dem US-TV-Sender CNN, dass eine Evakuierung wie auch eine bessere Absicherung der Hilfskonvois tatsächlich eine Fortführung der Offensive bis zur ägyptischen Grenze vorbereiten sollen: Bis zu einem „vollständigen Sieg“ über die Islamisten der Hamas seien es dann „nur noch wenige Wochen“.

Parallel zu den militärischen Vorbereitungen laufen diese Woche auch die Verhandlungen über weitere Freilassungen israelischer Geiseln aus der Hamas-Gefangenschaft. Inoffiziell ist die Rede von um die 45 Geiseln im Austausch für mehrere Hundert Hamas-Gefangene in Israel – zusätzlich zu einer mehrwöchigen Feuerpause.

In diesem Zusammenhang können die militärischen Pläne auch als Druckmittel in den Verhandlungen verstanden werden. Ist die Hamas-Führung nach schwersten Verlusten äußerst interessiert an einer möglichst langen Kampfpause. Was dann nach weiteren Austauschstufen in ein Ende der Kämpfe überleiten könnte.

Alte Kontakte

In Washington werden solche Erwartungen laut geäußert. Selbst die israelische Armeeführung schließt eine solche Entwicklung nicht aus. Premier Netanjahu zeigt sich aber ablehnend. Ist ein Plan zur Evakuierung der Flüchtlingsmassen doch ohnehin nur schwer umsetzbar. So musste die israelische Armee schon für die Sicherung der Konvois alte lokale Kontakte mobilisieren. Aus der Zeit, als sie bis zur Räumung 2005 noch selbst den bis dahin von ihr besetzten Gazastreifen verwaltet hatte.

Washington hätte sogar die Sicherung der Konvois durch die Hamas in Kauf genommen: Die konfisziere dabei zwar einen Teil der Lieferungen für eigene Zwecke, lasse aber im Gegensatz zu Straßenräubern etwas übrig für die Zivilbevölkerung. Doch das lehnte ein hoher israelischer Offizier am Montag strikt ab: „Wir greifen weiter jeden Hamas-Angehörigen an. Auch deren Polizisten, die Konvois absichern.“

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