Wiederaufbau Gazas 15-mal teuer als der Semmering-Basistunnel
Israels Militäroperation habe "Jahrzehnte des Fortschritts zunichtegemacht". Die gesamte Bevölkerung von 2,3 Millionen Menschen (von denen 47 Prozent unter 18 Jahre alt sind) sei mit "extremer, multidimensionaler Verarmung" konfrontiert: "Gaza erlebt den schnellsten und verheerendsten wirtschaftlichen Zusammenbruch, der je verzeichnet wurde."
Zu diesem Schluss kommt die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD). In einem Bericht veröffentlicht sie die Kosten für einen Wiederaufbau Gaza. Geschätzt mehr als 70 Milliarden Dollar, umgerechnet rund 60 Milliarden Euro, würde dieser kosten und mehrere Jahrzehnte benötigen.
Sechs Marshallpläne
Zur Verdeutlichung der Zahlen: Mit 60 Milliarden Euro könnte etwa 15 Mal der Semmering-Basistunnel gebaut werden. 60 Milliarden Euro entsprechen der Hälfte der jährlichen Bundesausgaben Österreichs, dreimal dem österreichischen Bankenrettungsschirm während der Finanzkrise und dreimal dem Jahresbudget der Stadt Wien. Man könnte zehn U-Bahn-Projekte wie den derzeitigen U2/U5-Ausbau finanzieren und bis zu 50 Krankenhäuser bauen.
Österreich erhielt aus dem Marshallplan zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg Hilfen in der Höhe von rund einer Milliarde Euro. Inflationsbereinigt wären das heute zwischen zehn und 12 Milliarden. Der Wiederaufbau Gazas entspräche demnach rund sechs Marshallplänen.
Eine Zeltstadt in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens.
Dazu kommen die Beseitigung der Trümmer, die Räumung von Minen und nicht explodierter Sprengsätze etc. Den UN zufolge könnte allein das "Aufräumen" 22 Jahre dauern, die Räumung von Blindgängern bis zu 10 Jahre.
Nur 1,5 Prozent der Felder nutzbar
Dem Bericht zufolge schrumpfte die Wirtschaft in Gaza zwischen 2023 und 2024 um 87 Prozent, das Bruttoinlandsprodukt betrug pro Kopf nur noch 161 US-Dollar und zählte zu den niedrigsten weltweit. Die Wirtschaftsleistung liegt derzeit bei rund 13 Prozent ihres Umfangs im Jahr 2022. Sie stützte sich vor dem Krieg vorrangig auf den Dienstleistungssektor und Handel, Landwirtschaft und Fischerei. 86 Prozent der Ackerfläche wurden laut Bericht beschädigt, 83 Prozent der Wasserbrunnen und fast 90 Prozent der Wasser- und Sanitäranlagen zerstört. Nur noch 1,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche seien nutzbar.
Der Bericht stellt außerdem fest, dass "Gewalt, eine beschleunigte Ausweitung der Siedlungen und Einschränkungen der Mobilität der Arbeitnehmer" auch die Wirtschaft im Westjordanland zerstört hätten. Dort werde derzeit der größte Wirtschaftseinbruch seit Beginn der Aufzeichnungen verzeichnet, bedingt durch die Bewegungs- und Zugangsbeschränkungen der palästinensischen Bevölkerung. Die Gewalt der Siedler hindere etwa Bauern daran, ihre Ernte und ihre Tiere zu erreichen.
Der Bericht betont, dass eine wirtschaftliche Erholung nur durch einen dauerhaften Waffenstillstand möglich sei.
Angriffe trotz Waffenruhe
Am 10. Oktober trat nach zwei Jahren Krieg nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 eine von den USA vermittelte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas in Kraft. Trotzdem kommt es zu Angriffen Israel: Das Gesundheitsministerium in Gaza gab am Montag bekannt, dass seit Beginn der Waffenruhe mindestens 342 Palästinenser getötet wurden. Im selben Zeitraum sollen drei israelische Soldaten getötet worden sein. Mehr als 69.000 Palästinenser sind in den vergangenen zwei Jahren getötet worden.
Nach wie vor herrscht Unklarheit zu dem von Donald Trump vorgelegten und vom UN-Sicherheitsrat gebilligten Friedensplan für Gaza. Israelische Streitkräfte kontrollieren immer noch etwas mehr als die Hälfte des Gebiets. In ihrem jüngsten Bericht erklärte das Welternährungsprogramm (WFP), dass sich die meisten Haushalte im Gazastreifen keine Grundnahrungsmittel leisten können. Die Preise seien zwar in den letzten Wochen stark gesunken, die täglich verzehrte Lebensmittelmenge liege aber immer noch deutlich unter dem Vorkriegsniveau.
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