Wie Israel trotz Krieges zu seinem erstaunlichen Wirtschaftswachstum kam

Weniger Touristen in Jerusalem
Israels Wirtschaft geht es besser, als nach zwei Jahren Krieg zu erwarten gewesen wäre. Konjunkturplus, Börse, Währung – der Trend geht stabil aufwärts. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.

Nicht alle Wirtschaftsbereiche und Landesteile, nicht alle Israelis, können vom Aufwärtstrend gleichermaßen profitieren. Dabei scheint sich selbst Israels durch den Krieg angeschlagenes Image weltweit zu erholen. Norwegens superreicher staatlicher Pensionsfonds etwa stoppte im Krieg alle Investitionen in Israel. Jetzt kehrt der Fonds zurück. "Es gibt auch andernorts Kriegsschauplätze, ohne dass wir dort reagiert haben", erklärte dies Dr. Cecilie Hellestveit, die in Israel einige Jahre lebte. 

Versäumt hat der Fonds etwa einige große Gewinnsprünge:  Kletterte doch allein die Aktie des Jet-Turbinen-Herstellers Bet Shemesh Engines in den letzten zwei Jahren um sagenhafte 600 Prozent. 

Doch der Blick auf den Börsenindex zeigt nicht alles. Gewinne streichen vor allem die international operierenden Großfirmen ein. Kleinere lokal agierende Firmen halten sich derzeit durch staatliche Entschädigungszahlungen über Wasser. Noch.

Auch der Blick auf den Arbeitsmarkt sollte mehr als die konstant bei 3 Prozent liegende Arbeitslosenquote im Auge haben. Sie hat ihre Ursachen. Viele der Arbeitskräfte wurden in die Reserve einberufen. Ihre anstehende Rückkehr auf den Markt ist keineswegs überall gesichert. 

Tourismus-Branche leidet

Katastrophal ist unterdessen  die Lage in der Tourismus-Branche. Vor dem Krieg boomte sie wie nie zuvor. Seiher aber ist die Zahl der Insolvenzen im Krieg sprunghaft gestiegen. Die Zahl der Firmen-Neugründungen sank deutlich.

Stolz verweist die Regierung lieber auf das Wirtschaftswachstum. Es könnte heuer bei einem Plus von 3,5 Prozent liegen und so manchen EU-Finanzminister vor Neid erblassen lassen. In Corona-Zeiten ging es Israel schlechter. 

Hohe Schuldenquote

Finanziert hat Israel den Krieg vor allem durch Schuldenaufnahme. Jetzt liegt die Schuldenquote bei 70 Prozent. Immer noch deutlich unter dem EU oder gar OECD-Durchschnitt. Das Staatsdefizit stieg von 4 Prozent 2023 auf 7 Prozent 2024. Für 2025 werden 6 Prozent erwartet. Es ist es eine Bürde, die auch die kommende Generation noch zu schleppen haben wird.

Statistisches Erstaunen lösen auch die im Krieg gestiegenen Steuereinnahmen aus. Sie basieren jedoch nüchtern gerechnet auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wie auch auf einen schärferen Umgang der Finanzämter mit so genannten gesperrten Gewinnen. Oder anders: Auf Gewinne, die vor dem Krieg getätigt wurden.

Nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie mit ihren Rekordgewinnen. Siehe Bet Shemesh Engines.  Gut für die Staatskasse, doch beschränkt auf nur ein Prozent der Arbeitskräfte in Israel.

Gewinn und Verlust eines Staates gehen ohnehin über die Statistiken der Finanzen hinaus. Im Einwanderungsland Israel geht es immer auch um Menschen. Die Masseneinwanderung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990-er Jahren stellte Israel vor ungeheure Integrationsprobleme. Doch war sie ein Gewinn. Heute sind die damals Eingewanderten das wirtschaftliche und militärische Rückgrat Israels. 

Viele Junge wandern aus

2025 war kein Jahr der Einwanderung. 83.000 Israelis wanderten aus. 2023 waren es 35 000. Meist junge und hochqualifizierte junge Menschen. Familien mit Kindern. Die Ursachen des Abwärtstrends begannen aber noch vor dem Krieg, mit den antiliberalen Reformen der  Regierung Netanjahu. Über Monate lösten sie heftige Straßenproteste aus. Der Krieg hat diesen Trend über die Regierungsverdrossenheit hinaus noch verstärkt.

Auf die wichtigste Frage  zur Lage steht die Antwort weiter aus: Der Waffenstillstand im Gazastreifen und in Südlibanon ist brüchig. Ist eine Bilanz zu diesem Zeitpunkt überhaupt schlüssig? Ist der Krieg wirklich schon beendet?

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