Ist der Geiseldeal mehr als nur ein erster Schritt?
Am Donnerstag lässt die Hamas 50 Geiseln frei, die Waffen schweigen vier Tage lang. Die Hoffnung auf eine langfristige Lösung ist aber gering: In Israel ist der Deal umstritten, Netanjahu unter Druck.
Wenn es am Donnerstag in Israel 10 Uhr schlägt, sollen die Waffen schweigen, erstmals seit 48 Tagen. So lange ist es her, dass Hamas-Terroristen israelische Dörfer überfallen, mehr als 1.200 Menschen brutal ermordet und zumindest 236 Menschen in den Gazastreifen verschleppt haben. 50 von ihnen sollen mit Beginn der Feuerpause freikommen – das ist zumindest der Plan, dem Israels Regierung und die Hamas-Führung zugestimmt haben. Was heißt das für den Kriegsverlauf? Eröffnet das die Chance auf dauerhaften Frieden?
Am Donnerstag beginnt die viertägige Feuerpause, dann soll auch die erste Gruppe von etwa zwölf Geiseln an Israel übergeben werden. In Summe lässt die Hamas 50 Personen frei, 30 Kinder und 20 Frauen. Derzeit sind etwa 40 Kinder unter den Gefangenen, das jüngste ist neun Monate alt – es soll auch unter den Freigelassenen sein.
Die Verschleppten werden vom Roten Kreuz erstversorgt, dann an Israels Armee übergeben und in abgeschirmte Zentren gebracht, wo sie ihre Familien treffen. Im Gegenzug ermöglicht Israel humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen und stellt den Beschuss ein. Das Militär bleibt aber in seinen Stellungen, nur der Flugverkehr wird beschränkt.
Dazu entlässt Israel 150 palästinensische Gefangene, zum Großteil Jugendliche, die bei Aufständen inhaftiert worden waren, sowie Frauen, die in Israel Messerattacken verübt haben. Hamas-Führungspersonal ist nicht dabei – man hat aus früheren Deals gelernt: Beim letzten Austausch 2011 war Yahya Sinwar dabei, der die Attentate im Oktober koordinierte und jetzt mit Israel verhandelt.
Sie bleiben vorerst in Gefangenschaft. Die Feuerpause wird aber immer um einen Tag verlängert, sobald die Hamas zehn weitere Personen freilässt. Israel hat dieses Vorgehen aber auf zehn Tage limitiert, auch weil unklar ist, wie viele Geiseln noch am Leben sind – die Hamas hat eingeräumt, nicht zu wissen, wo ein Teil der Gefangenen ist.
Wieso ist der Deal in Israel so umstritten?
Über die Frage von Verhandlungen mit Terrorgruppen wird in Israel seit Jahrzehnten gestritten, jetzt spaltet sie das Kriegskabinett.
Premier Benjamin Netanjahu schob das Thema wochenlang weg, weigerte sich, Geisel-Angehörige zu treffen. Jetzt wurde der gesellschaftliche Druck zu groß, er stimmte dem Deal zu, aber mit Gegenwind vom rechtsextremen Koalitionspartner. Die Jehudit-Partei argumentiert, die Feuerpause gebe den Terroristen nur die Chance, sich neu zu gruppieren, zudem werde sie den Preis für die anderen Geiseln erhöhen. Viele davon sind Soldaten – schon zu Kriegsbeginn forderte die Hamas für ihre Freilassung die Entlassung aller 6.000 palästinensischen Gefangenen .
So einen Deal bringt Netanjahu jedoch niemals durch, das würde ihn das Amt kosten. Er, der sich immer „Mr. Security“ nannte, ist massiv angezählt: Nur vier Prozent der Bevölkerung vertrauen ihm in puncto Gaza, er und seine Minister verzichten aus Furcht vor Protesten auf Besuche bei Verletzten in Spitälern – derzeit würde seine Partei Likud Wahlen deutlich verlieren.
Gibt es die Chance auf einen langfristigen Waffenstillstand?
Derzeit sieht es – noch – nicht danach aus. Will Netanjahu nicht aus dem Amt gefegt werden, muss er sein Versprechen erfüllen, also die Eliminierung der Hamas – und das geht nur militärisch. Das wollen auch die meisten israelischen Bürger; die Erzählungen und Bilder der Geiseln werden diesen Wunsch wohl noch verstärken.
Netanjahu kündigte darum auch die Fortsetzung der Bodenoffensive an, sobald keine Geiseln mehr freikommen. Eine Kursänderung wäre nur denkbar, wenn Netanjahu sein Ziel nicht in greifbarer Zeit erreicht – oder wenn er von seiner Partei geschasst wird. Die Opposition setzt genau darauf, sie hat seine Partei nun zu einer Koalition ohne den sechsmaligen Regierungschef eingeladen – das käme aber einem parteiinternen Putsch gleich, den Netanjahu wohl mit allen Mitteln verhindern will.
Die USA und Katar, das als einziges Sprachrohr zur Hamas den Deal mitverhandelte, drängen zwar darauf, dass in der Feuerpause eine endgültige Lösung für den Konflikt und für Gaza gefunden wird. Nur: Allein der Geiseldeal hat schon wochenlange Gespräche gebraucht – darum werden die nächsten Tage wohl nur eine Atempause sein.
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