Nicht einmal mehr der legendäre Geheimdienst scheint in Israel derzeit noch zu funktionieren - zumindest, was die Corona-Pandemie betrifft. Eine eigentlich zur Terrorbekämpfung eingesetzte Handy-App kommt jetzt beim Tracen von Corona-Fällen und ihren Kontakten zur Anwendung - und produzierte dort einen katastrophalen Flop.
Grundlos in Quarantäne
Israels Gesundheitsministerium hat eingeräumt, dass Tausende Bürger nach der Wiederaufnahme der Handy-Überwachung offenbar grundlos in die Corona-Quarantäne geschickt wurden. Rund 12.000 Menschen, die angegeben hätten, unbegründet ein SMS vom Inlandsgeheimdienst Shin Bet erhalten zu haben, seien wieder aus der Heimquarantäne entlassen worden. Die Technologie erstellt Bewegungsprofile, um zu sehen, mit wem Erkrankte zuletzt in Kontakt waren. Diese Menschen werden dann per SMS gewarnt und aufgefordert, sich in Quarantäne zu begeben. Der Geheimdienst hatte sich zuvor selbst öffentlich gegen den Einsatz der Überwachungs-Methode gestell. Diese sei nicht nur für die Pandemie ungeeignet, sondern ihr Einsatz auch noch moralisch äußerst bedenklich
Nächster Lockdown unvermeidlich
Zugleich steigen die Corona-Fallzahlen im Land in schwindelerregende Höhen. Bis zu 2000 neue Fälle pro Tag werden verzeichnet - für ein Land, das etwa gleich viele Einwohner wie Österreich hat, dramatische Entwickung.
Israels Gesundheitsminister hält daher einen weiteren Lockdown für kaum noch vermeidbar. Er hoffe, dass die zuletzt ergriffenen Maßnahmen wie die Begrenzung der Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen zu niedrigeren Infektionszahlen führten, sagte Juli Edelstein dem Nachrichtenportal „ynet“.
Drei Tage abwarten
Wenn dies so komme, dann könne eine Lockdown-Entscheidung verschoben werden. „Wir müssen drei bis vier Tage abwarten, um zu schauen, aber es würde einem Wunder gleichkommen.“ Die rote Linie des Gesundheitsministers für den Lockdown soll bei 2000 Infektionen liegen.
Israel war es zu Beginn der Pandemie unter anderem mit einem raschen Lockdown gelungen, die Infektionszahlen niedrig zu halten. Nach Lockerungen schnellten die Zahlen jedoch in die Höhe.
Die Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die sich vor wenigen Wochen international noch als Corona-Erfolgsmodell präsentiert hatte, steht jetzt zunehmend unter Druck.
Seit Tagen gehen die Leute gegen Netanjahu auf die Straße, nicht nur wegen des katastropalen Corona-Managements, sondern vor allem wegen der massiven unaufgeklärten Korruptionsvorwürfe gegen den Regierungschef. Schon spricht man in Jerusalem von einem offenen Konflikt in der Regierung. Sowohl beim Vorgehen in der Corona-Krise als auch bei den Vorwürfen gegen Netanjahu seien die Fronten zwischen dem Regierungschef und einigen Ministern verhärtet.
Korruption und Untreue
Tausende Demonstranten haben den wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit angeklagten Netanjahu am Dienstagabend zum Rücktritt aufgefordert. Sie versammelten sich vor dessen Residenz in Jerusalem. Die Demonstranten trugen dabei Fackeln und versuchten auch, Polizeibarrikaden niederzureißen. Die Polizei setzte mindestens einen Wasserwerfer ein und nahm 50 Menschen fest.
Teure Vorliebe für Eis
Bei dem Verfahren gegen Netanjahu geht es um drei Fälle. Er wird unter anderem verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Gegenzug soll das zum Konzern gehörende Medium „Walla“ positiv über Netanjahu berichtet haben. Netanjahu streitet alle Vorwürfe ab und wirft Polizei und Staatsanwaltschaft vor, sie hätten die Anklage gegen ihn „fabriziert“. Ständig tauchen auch in den Medien neue Details zum opulenten Lebensstil der Netanjahus auf. So tauchten Rechnungen für Eis über Tausende Euro auf - alles auf Kosten der Steuerzahler.
Kommentare