Wochenlang stand die Front im Osten der Ukraine still. Inzwischen kommt die russische Armee langsam, aber unaufhaltsam voran – und ihrem Ziel, der Eroberung des Donbass, immer näher. Eine Stadt nach der anderen fällt. Im zentralen Verkehrsknotenpunkt der Region, der 100.000-Einwohner-Stadt Sewerodonezk, haben sich die Russen ins völlig zerstörte Stadtzentrum vorgekämpft. Die Ukrainer haben viele ihrer Verteidigungslinien geräumt.
"Opfer der eigenen Propaganda"
Russland könne diese Phase des Krieges voraussichtlich für sich entscheiden, urteilt der Militärstratege. Viele Beobachter im Westen hätten die Frontlage zu kurzfristig betrachtet, zu schnell von einem Desaster der russischen Armee gesprochen. Und auch die Ukrainer seien in vielen Fällen Opfer ihrer eigenen Propaganda geworden. Die Bilder von der Zerstörung russischer Panzer und Artillerie sorgten für eine Euphorie, auf die jetzt Ernüchterung folge.
Gerade die aus dem Westen des Landes herangeschafften Einheiten der Territorialverteidigung seien nur kurz ausgebildet und daher überhaupt nicht in der Lage, einem derart vernichtenden Einsatz schwerer Artillerie standzuhalten. "Sie schießen unaufhörlich", schildert etwa ein ukrainischer Verteidiger der Washington Post, "und wir haben nicht einmal die Möglichkeit, zurückzuschießen".
US-Raketenwerfer
Entsprechend heftig fordert Kiew die Lieferung ähnlich weitreichender Artillerie aus dem Westen. Die USA haben bereits modernste Raketenwerfer mit bis zu 200 Kilometern Reichweite zugesagt. Die jetzt von der Ukraine angekündigte Gegenoffensive im Süden könnte so verstärkt werden. Ob diese Waffen aber an der Front im Osten noch etwas ändern können?
Reisner gibt sich skeptisch, die Dynamik der Gefechte zeige momentan klar in eine Richtung. Was aber selbst den Militäranalytiker hörbar entsetzt, ist die totale Zerstörung, die dieser Stellungskrieg im Donbass verursacht: "Das erinnert an die Westfront bei Verdun im Ersten Weltkrieg."
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