Iran: Zurück aus dem politischen Abseits

Der neue Präsident Rohani sucht den Dialog mit dem Westen und zeigt im Atomstreit Verhandlungsbereitschaft

Eigentlich sind dekadente westliche Praktiken wie twitter und facebook im Gottesstaat streng verboten, aber als Präsident kann man sich ja ein bisschen mehr Lockerheit gönnen. Also twittert das neue Staatsoberhaupt Hassan Rohani politische Frohbotschaften in die Welt hinaus – und zwar in Richtung Westen. Zuerst waren es nur politische Gesten, wie etwa Neujahrsgrüße an die Juden, oder die Absage an die Leugnung des Holocaust , inzwischen aber lädt Rohani per twitter sogar zu Gipfeltreffen, etwa den britischen Außenminister William Hague. Mit ihm, so die überraschende Internet-Botschaft an den bisherigen politischen Todfeind, würde man sich gerne am Rande der UN-Generalversammlung in New York kommende Woche treffen.

Und nicht nur mit Hague, auch ein Treffen mit US-Präsident Obama wird offensichtlich angepeilt. Zumindest sind die beiden Herren in regelmäßigem Briefkontakt, wie Washington jetzt bestätigt hat. Nach mehr als drei Jahrzehnten ohne jegliche diplomatische Beziehungen wäre das eine wirklich historische Begegnung.

Hardliner gehen

Doch Rohani hat längst deutlich gemacht, dass es ihm nicht nur um Begegnungen, sondern um konkrete Ergebnisse geht. Vor allem im Atomstreit drängt Teheran jetzt auf neue Verhandlungen und deutet Kompromissbereitschaft an. Man wolle alle „internationalen Sorgen“ wegen des Atomprogramms „zerstreuen“, erklärte der iranische Außenminister Javad Zarif, dessen Ministerium jetzt die Verhandlungen übernommen hat. Nicht nur der Chef der Atombehörde, auch der iranische Botschafter bei der IAEO in Wien wurde ausgetauscht. Wo bisher ideologische Hardliner jeden Verhandlungsfortschritt blockierten, sind jetzt Pragmatiker am Werk, die von einer „neuen Phase der guten Zusammenarbeit“ reden.

Selbst Religionsführer Ali Khamenei gibt sich im Atomstreit inzwischen versöhnlicher. Bevor Rohani und sein Außenminister nach New York abreisen, gab er ihnen die Empfehlung mit, „heroische Flexibilität“ zu zeigen. Er, so betonte der bekannt inflexible Kleriker, habe nichts gegen „richtige diplomatische Bewegungen“.

Auch im Bürgerkrieg im benachbarten Syrien zeigt man sich neuerdings mehr an Frieden als an einem Sieg von Diktator Bashar al-Assad interessiert. Rohani ging sogar soweit, zu sagen, dass man einen anderen Staatschef und damit einen Machtwechsel in Syrien akzeptieren wolle. Noch aber bleibt abzuwarten, wie sich dieser Schwenk konkret an der syrischen Bürgerkriegsfront auswirkt. Dort sind seit Monaten Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden im Einsatz, außerdem schickt Teheran Waffen und militärische Berater. Dass Rohani jetzt die Revolutionsgarden direkt aufgefordert hat, sich „aus der Politik herauszuhalten“, zeigt, dass man inzwischen lieber auf der Seite der Friedensstifter stehen würde.

Lockerung im Land

Die „Zeit der positiven Veränderungen“, so das Motto der Regierung, soll auch für die eigenen Bürger beginnen. Vorerst sind es noch Gesten, wie die Freilassung einer Reihe politischer Häftlinge, oder die Ankündigung, endlich die Zensur des Internets und sozialer Netzwerke wie facebook zu lockern. Dass die Staatsspitze diese inzwischen selbst offiziell nützt, lässt eine baldige Freigabe erhoffen. Doch die neue Lockerheit wird von vielen staatlichen Autoritäten offen abgelehnt. Irans Polizeichef etwa, rügte die Politiker für ihre Präsenz in den Netzwerken. Diese seien verboten und würden es auch bleiben.

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