Das Gesicht der Journalistin zeigt noch deutliche Spuren von Gewalt. Die Spuren auf ihrem Körper und ihrer Seele kann man nur erahnen. Nazila Maroofian ist Journalistin im Iran - besser gesagt, war. Wegen ihrer Arbeit wurde sie allein im vergangenen Jahr vier Mal verhaftet. Nach fast jeder Enthaftung hat sie ein Foto von sich in Freiheit gepostet, mit Blumenstrauß in der Hand - und ohne Kopftuch.
Nun hat sie eine Videobotschaft veröffentlicht, in der sie erschreckende Details preisgibt. Details, über die sie im Iran nicht hätte sprechen können. Ihr ist die Flucht ins Ausland gelungen, sie soll sich in Frankreich aufhalten. Während sie spricht, zittert ihre Stimme immer wieder und um ihren Schmerz zu unterdrücken, lächelt sie. Sie hält immer wieder inne - man merkt, dass ihr das Sprechen nicht leicht fällt.
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"Es passiert allen, viele reden nicht darüber"
Die Verletzungen seien ein Überbleibsel ihrer letzten Verhaftung, bei der sie von Männern verprügelt und gefoltert worden sein soll. Frauen hätten dabei zugesehen. Maroofian berichtet auch von sexuellem Missbrauch. "Ich sage das nicht, weil das nur mir passiert ist. Ich sage es, weil es allen passiert, aber viele reden nicht darüber."
Das Video, in dem Maroofian in ihrer Landessprache Farsi spricht, zeigt, wie schwer ihr die Worte über die Lippen kommen. Sie ringt immer wieder um Fassung. Lesen Sie unter dem Video weiter, was sie zu sagen hat.
Immer wieder rechtfertigt sich die Journalistin dafür, ihr Land verlassen zu haben. Bis vor wenigen Wochen hätte die junge Frau niemals daran gedacht, den Iran zu verlassen. "Aber leider haben sie mich von meiner Heimat verjagt." Sie setzt nach: "Ihr fragt vielleicht, wie."
"Deine Tochter hat viele Feinde"
Man habe ihr angeboten, zu kooperieren. Wenn sie das tue, was das Regime ihr befiehlt, würde sie ein Haus, ein festes Gehalt und ein Kaffeehaus in Teheran bekommen. "Ich sagte nein." Ihre finanzielle Situation sei nicht gut gewesen, dennoch "sollte jeder zu seinem Unterdrücker nein sagen."
Dann berichtet Maroofian, dass sie keine Möglichkeit mehr bekommen habe zu arbeiten, nicht einmal als Verkäuferin. Man habe sie ständig beschattet und schließlich habe ihre Mutter eine Drohung bekommen: "Es sei beschlossene Sache, dass Ihre Tochter sterben wird. Ob durch ein Glas Wasser, in dem Gift ist oder bei einem Autounfall. Deine Tochter hat viele Feinde."
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Das Ziel der Journalistin sei immer gewesen, im Land zu bleiben und den Iran zurückzuerobern. Aber sie sei gezwungen worden, zu gehen. Und dabei gehe es nicht um ihr Leben, denn "mein Leben hat keinen Wert. Wenn es darum ginge, wäre ich schon vergangenes Jahr gegangen".
Dorthin gehen, wo Menschenrechte etwas wert sind
Sie habe sich nun entschlossen zu gehen, um dorthin zu gehen, wo sie behaupten, dass Menschenrechte etwas wert seien. "Ich will denen sagen, was wir erlebt haben, was sie uns angetan haben. Deshalb konnte ich nicht bleiben, denn ich muss einiges berichten."
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In einer weiteren Videobotschaft verspricht Maroofian, weiter aktiv zu bleiben. Sie sei hier, um zu sagen: "Wir haben so viele Opfer erbracht, Verletzte, Folter im Gefängnis. Warum pflegt ihr noch immer eure Beziehungen zur Islamischen Republik?"
"Es könnte dauern, aber es kann auch sehr plötzlich passieren"
Ihre Botschaft schließt sie mit Liebesbekundungen an ihre Heimat und an ihre Landsleute. "Ich liebe euch so sehr. Ich wünschte, ich könnte euch alle in den Arm nehmen und mitnehmen. Aber wir werden unser Land befreien. Ich bin mir sicher. Es könnte dauern, aber es kann auch sehr plötzlich passieren."
Wenn sie bemerken sollte, dass ihre Aktivität im Ausland nichts bringe, werde sie in den Iran zurückkehren. "Ich habe keine Angst mehr vor dem Regime. Ich habe schon alles durchlebt. Ich weiß wie die Dinge da laufen."
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