Es ist nicht das erste Mal, dass Netanjahu von einer solchen unmittelbaren Bedrohung öffentlich spricht. Schon 2012 hatte der Premier vor der UNO ganz Ähnliches behauptet, von wenigen Monaten gesprochen, die das Zeitfenster zu einer iranischen Atombombe noch umfasse. Diese Behauptungen hat er immer wieder vor Spitzenvertretern der Weltpolitik wiederholt, etwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2018.
Mit den Analysen westlicher Geheimdienste und Sicherheitsexperten deckt sich das allerdings nicht. Erst im März dieses Jahres präsentierte der Direktor der US-Geheimdienste dem Kongress in Washington den Wissensstand seiner Behörden. Zusammengefasst: Der Iran sei derzeit nicht mit dem Bau einer Atombombe befasst. Ganz ähnlich auch das Urteil der UN-Atombehörde IAEA: Derzeit seien solche Aktivitäten von den Inspektoren der UN-Agentur nicht beobachtet worden.
Ganz eindeutig dagegen sind die Urteile der internationalen Experten, was die nuklearen Ambitionen des Iran betrifft. Das Mullah-Regime ist seit mehr als zwei Jahrzehnten damit beschäftigt, Uran anzureichern, anders formuliert: Möglichst hohe Konzentrationen von radioaktivem Uran zu erreichen. Seit im Jahr 2002 erstmals die bis dahin geheim gehaltene Anlage in Natanz bei Isfahan entdeckt wurde, hat der Iran diese Pläne mit allen Mitteln vorangetrieben. Neben Natanz wurden dafür weitere Anlagen, etwa in Fordo errichtet, meist tief unter der Erde, um diese so vor Angriffen wie den jetzigen zu schützen. Dort wurde Uran nicht nur in großer Menge, sondern auch in einer Konzentration angereichert, die nur einen Zweck haben kann: Material für den Bau einer Atombombe zu horten. Für die zivile Nutzung, also in Atomkraftwerken, ergibt dieses Programm keinen Sinn. Diese Bemühungen wurden erneut beschleunigt, nachdem das in Wien 2015 geschlossene Atom-Abkommen mit dem Iran von US-Präsident Trump aufgekündigt worden war.
Das Mullah-Regime in Teheran verfolgte also das Ziel, einer Atombombe möglichst nahe zu kommen. Atomwaffen-Experten sprechen von der sogenannten "breakout-time", also die Zeit, die man noch benötigt, um die Bombe fertigzustellen. Wie lange die im Fall des Iran tatsächlich ist, darüber gibt es widersprüchliche Analysen. Im kürzesten Fall sollen es wenige Monate sein.
Drohung mit der Bombe
Der Bau einer Bombe braucht weit mehr als das kernwaffenfähige Uran. Der Sprengkopf muss konstruiert, die Bauteile für die nukleare Kettenreaktion auf das dafür passende Maß verkleinert werden. Pläne für die Konstruktion eines solchen Sprengkopfs sind vor Jahren im Iran entdeckt worden. Sie stammten aus Pakistan, einer Atommacht. Wie weit man die auch schon umgesetzt hatte, blieb bis heute unklar. US-Medien haben kürzlich unter Berufung auf Geheimdienste berichtet, dass Teheran diese Forschungen für den Bombenbau zuletzt wieder beschleunigt habe. Konkrete Beweise dafür liegen - ganz anders als bei der Uran-Anreicherung - nicht vor.
Die hartnäckig beibehaltene Behauptung des Regimes, man verfolge mit dem Atomprogramm nur friedliche Ziele, ist auf jeden Fall ausreichend widerlegt. Der Iran, der ja schon in den 1990er-Jahren den Bau einer Atombombe plante, wird übereinstimmend als "nuklearer Schwellenstaat" definiert: Mit der Fähigkeit also, eine Bombe in überschaubarer Zeit zu bauen. Man wollte als auf jeden Fall eines in der Hand haben: Eine offene Drohung mit der Atombombe.
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