„Weibliche Hysterie“
Die Regierung setzt wie so oft auf Verschleierung: Mindestens 300 Schulen (auch Volksschulen) und Studentenwohnheime sollen betroffen sein, die Zahl der Verletzten geht in die Tausende, doch es gibt keine offiziellen Zahlen. Berichte über tote Mädchen werden nicht bestätigt – betroffene Familien werden bedroht, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Ein Journalist, der es wagte, näher über die Angriffe zu berichten, wurde festgenommen. Offiziell gibt es unterschiedlichste Erklärungen: Von weiblicher Hysterie über selbst gelegte Stinkbomben, um Prüfungen zu entgehen, bis zu Zionisten und andere Feinde, die für Probleme verantwortlich gemacht werden.
Laut iranischen Ärzten soll es sich bei dem Giftgas um biologische Waffen, sogenannte Organophosphate, handeln. Diese werden als Pestizide oder auch im militärischen Kontext eingesetzt – sind also nicht für jeden einfach so erhältlich. Die Suche nach den Tätern blieb bisher dennoch erfolglos.
Und das in einem Überwachungsstaat, in dem Frauen, die ohne Kopftuch im Auto sitzen, per Gesichtserkennung identifiziert und strafrechtlich verfolgt werden und wo man nicht einmal mehr Farbe (z. B. für Protest-Graffitis) kaufen kann, ohne zurückverfolgt zu werden.
"Kindermörder-Regierung"
Deshalb schenkt die Bevölkerung den Erklärungen des Regimes auch keinen Glauben und geht wieder verstärkt gegen die „Kindermörder-Regierung“ auf die Straße. In unzähligen Videos sieht man vor Schulen aufgebrachte Eltern, die geprügelt oder verhaftet werden. Auch Senioren und Studenten gehen wieder demonstrieren. Zuletzt haben nun die (nicht regimetreuen) Lehrer zum Protest gegen die Giftgas-Anschläge aufgerufen.
Doch auch, wenn die Angriffe den Mädchen den Atem nehmen, schaffen sie es nicht, ihren Kampfgeist zu brechen. Denn neben den schockierenden Augenzeugenvideos und -Berichten der Schülerinnen sieht man in den Netzwerken vor allem eines: Zusammenhalt und Entschlossenheit, sich nicht einschüchtern zu lassen. Auch, wenn viele Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder fürchten, sie lassen sich nicht die Bildung nehmen.
Noch gehen die Kinder nicht mit Gasmaske in die Schule, dennoch ist dieses Bild zum Symbolbild für die aktuelle Situation geworden. Auf dem Zettel steht: "Bis zum letzten Atemzug. Frau. Leben. Freiheit."
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