„Keine Alternative zu EU und Euro“

„Es braucht keine EU-Vertragsänderung“, sagt Premier Mariano Rajoy.
Der KURIER sprach mit Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy über Wege aus der Krise.

Im Zuge des Staatsbesuches von Bundespräsident Heinz Fischer vergangene Woche in Madrid gab Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy dem KURIER eines seiner seltenen Interviews.

KURIER: Herr Ministerpräsident, in Spanien geht es aufwärts, die Zahl der Arbeitslosen geht zurück. Was haben Sie gemacht? Mariano Rajoy: Es gibt ein leichtes Wirtschaftswachstum, wir sind dabei, die Rezession, die ihren Ausgang 2008 nahm, zu überwinden. Tief greifende Reformen und eine strikte Haushaltspolitik tragen dazu bei, dass es aufwärtsgeht. Wir haben den Arbeitsmarkt viel flexibler gestaltet. Dadurch wurde unsere Wirtschaft wettbewerbsfähiger, Exporte außerhalb der Euro-Zone nahmen zu. Das Defizit wurde deutlich gesenkt. Die maroden Banken konnten rekapitalisiert werden. Die radikalen Maßnahmen machen sich jetzt bezahlt.

Was machen Sie gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit?

100 Maßnahmen haben wir für die Schaffung von Jugend-Arbeitsplätzen erlassen. Einige Beispiele: Unternehmen, die Jugendliche anstellen, müssen weniger Sozialabgaben für die Jungen zahlen, in manchen Fällen gar nichts. Die Jugendarbeitslosigkeit ist zuletzt um knapp sieben Prozent zurückgegangen. Künftig wollen wir die Ausbildung besser an die Arbeitswelt anpassen. Für Junge wird die Gründung eines Unternehmens erleichtert, 60.000 haben schon davon profitiert.

Sie haben dem Land ein rigides Sparprogramm verordnet. Hat es nicht die Arbeitslosigkeit und Armut noch mehr erhöht?

Meine Regierung hat Schulden übernommen, die inakzeptabel hoch waren, die Märkte haben begonnen, die Zinsen in die Höhe zu treiben, wir konnten uns nicht mehr am Finanzmarkt finanzieren. Wir mussten gegensteuern. Ich bin mir bewusst, dass wir den Bürgern Opfer abverlangen, wir sind aber darauf bedacht, die Lasten fair zu verteilen. Heute haben wir wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten. Es gibt wieder Vertrauen in unsere Wirtschaft.

Wie hoch sind die sozialen Kosten der Reformen?

Die Reformen kommen den Menschen auch zugute. Die Energieversorgung wurde verbessert, die Kosten für Haushalte gesenkt. Alle öffentlichen Ausgaben werden streng geprüft und unterliegen einer rigiden Budgetdisziplin. Aber ich sage auch, wir müssen noch mehr tun.

Was haben Sie vor?

Das Pensionssystem wird von Grund auf verändert, wir arbeiten gerade daran.

Warum schlitterte Spanien so arg in die Krise?

Ab 2000 wuchs der Bau- und Immobiliensektor sehr stark, allerdings basierte das Wachstum auf einer enormen Verschuldung. 2008 verschärfte die globale Finanzkrise die Lage. Die Strukturschwächen Spaniens aber auch die Konstruktionsfehler der Wirtschafts- und Wäh-rungsunion wurden sichtbar. Die Vorgänger-Regierung nützte den Aufschwung nicht, um stabile Strukturen zu schaffen und Ungleichgewichte auszutarieren. Ich bin ein überzeugter Reformer, meine Regierung packt die Probleme an.

Wurde in Spanien der Euro zu früh eingeführt?

Auf keinen Fall. Aber die Krise hat uns gezeigt, dass wir die Banken- und Fiskalunion sowie nationale Anpassungen brauchen, um global wettbewerbsfähig zu sein. Wenn wir die eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion erfüllen, werden wir stärker. Es gibt keine bessere Alternative zur EU und dem Euro.

Deutschland setzt auf eisernes Sparen, andere Länder auf Investitionen und Ausgaben. Was ist für Sie das richtige Rezept?

Es braucht sowohl Sparen als auch Anreize für die Wirtschaft und die Beschäftigung, davon bin ich überzeugt. Es kommt aber immer auf die Dosis an.

Spanien hat von der EU einen Notkredit in Höhe von 100 Millionen Euro bekommen. Brauchen Sie noch mehr EU-Hilfe?

Wir haben strikt alle Auflagen und Reformen für den Kredit erfüllt. Das sage nicht nur ich, sondern die Troika in ihrem September-Bericht. Wir haben nur 40 Millionen abgerufen. Weitere Hilfen aus dem Rettungsschirm sind nicht erforderlich.

Viele Spanier finden die Parteien korrupt. Von einem Schmiergeld-Skandal ist auch Ihre Partei betroffen. Wie entkräften Sie die schweren Vorwürfe?

Gerade in einer so gravierenden Krise fokussieren viele Spanier ihre Aufmerksamkeit auf diese Skandale, sie finden sie verwerflich. Das Handeln weniger kann die seriöse Arbeit anderer Politiker nicht infrage stellen. Ich versichere Ihnen, dass ich seit vielen Jahren redlich und verantwortungsvoll in der Politik tätig bin. Unsere Justiz geht jedem Hinweis auf Korruption nach. Ich vertrauen auf die Effizienz und Unabhängigkeit unserer Justiz, ich kooperiere mit ihr. Ich verurteile nicht nur Korruption, sondern ich bekämpfe sie auch mit einem Nationalen Plan zur Vertiefung der Demokratie. Unser Image und die Demokratie lassen wir uns von niemandem zerstören.

Wie wollen Sie das Vertrauen der Bürger wiedergewinnen?

Indem wir die Probleme lösen und dadurch das Vertrauen der Bürger gegenüber den Politikern stärken. Es ist für mich die oberste Priorität, das Land aus der Krise zu führen, die inakzeptabel hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Nur mit guten Problemlösungen, Ergebnissen und Erfolgen können wir bei den Bürgern punkten.

Was sagen Sie zum Zustand der EU? Was muss sich ändern?

Die EU muss aus ihren Fehlern lernen. Wir brauchen die Banken-, Fiskal- und Politische Union. Die EU muss auf allen Ebenen moderner werden, auf die Bürger zugehen und sie nicht verärgern. Denn: Unsere Zukunft und die der EU hängt von den Bürgern ab. Eine Spaltung zwischen der EU und den Bürgern schwächt alle.

Wie soll die Europäische Union moderner werden?

Wir brauchen derzeit noch keine Vertragsänderung. Wir haben die Instrumente, um die EU zu vertiefen und zu stärken. Dafür braucht es nur Ambition und politischen Willen.

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