In Venezuela droht eine Sozialrevolte
Verzweifelte Mütter schauten darauf, dass ihre Kinder möglichst bis Mittag schlafen – so ersparten sie sich eine Mahlzeit für ihre Liebsten. Mit diesem bizarren Beispiel aus dem Alltag veranschaulicht der venezolanische Bischof Jose Luis Azuaje Ayala das „humanitäre Desaster“ in seinem Heimatland.
Es gebe kaum noch Lebensmittel und Medikamente, Spitäler funktionierten nicht mehr, Schulen müssten geschlossen bleiben, weil der Strom fehle. Somit sei auch die Wasserversorgung kollabiert, die Kommunikation ebenso. „Da fragt man sich: Ist das Strategie der Regierung, oder liegt es an der mangelnden Wartung“, sagte der Caritas-Präsident Lateinamerikas, der am Freitag am internationalen Humanitären Kongress in Wien teilnehmen wird, gestern in der Bundeshauptstadt.
Plünderungen
Die wenigen Waren, die noch vorhanden seien, würden quasi stündlich teuer. „Die Inflation im vergangenen Monat lag bei 120 Prozent und der Mindestlohn für einen Arbeiter bei 4,5 Euro“, schildert der 61-Jährige. Die Folge: Plünderungen. „Später kommen dann diese Menschen zu uns in die Pfarren. Im Beichtgespräch entschuldigen sie sich und sagen, die generelle Knappheit an allem und der Hunger hätten sie dazu getrieben. Normalerweise würden sie das nicht machen.“
300.000 Kinder seien unterernährt, die schlimmste Not von 150.000 habe die Caritas lindern können. Zugleich lasse Staatspräsident Nicolas Maduro keine (Nahrungsmittel-)Hilfe ins Land. „An den gesperrten Grenzen steht das Militär. Wir organisieren unsere Transporte daher über Trampelpfade. Die Leute, die diese Wege kennen, müssen wir freilich bezahlen“, sagt der Geistliche.
Für die dramatische Situation macht der Bischof die Regierung verantwortlich, die er „totalitär“ nennt. Im aktuellen Machtkampf stehe die venezolanische Kirche für einen Dialog, doch den lehne Maduro ab. Falls sich die Lage nicht bald entspanne, könnte es zu einem breiten Aufschrei in der Gesellschaft, zu einer Sozialrevolte kommen, warnt Jose Luis Azuaje Ayala.
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