Als Ende Juni Tausende Briten den Strand von Bournemouth stürmten und soziale Distanzregeln missachteten, endete das mit betrunkenen Raufereien, Müllbergen und genereller Aufregung. Die Behörden sprachen von einem „schwerwiegenden Vorfall“.
Explosiver Cocktail
Aber das war nur eines der ersten Signale für einen britischen Sommer der sozialen Unruhe und Unordnung. Lockdown, Rassismus-Proteste, Wirtschaftseinbruch, Brexit: das alles ist ein Cocktail, der laut Experten zu viel Unmut, und Regelverletzungen, geführt hat. „Es gibt so viele Probleme, bei denen so viele Leute gegensätzliche Ansichten vertreten, dass die Gefahr anhaltender Unruhe besteht“, sagte Polizeipräsident Paul Griffiths und warnte vor einem heißen „Sommer der Unzufriedenheit“.
Johnson-Berater als schlechtes Beispiel
Tatsächlich kämpfen Polizei und Behörden seit Wochen gegen diverse Formen von „Störungen“ wie illegale Raves und „Wildcamping“. Peter Joyce, Kriminologe an der Universität Glyndwr, argumentierte in einer Analyse, dass die Verstöße von Dominic Cummings – Berater von Premier Boris Johnson – gegen die Ausgangssperre zum Unmut entscheidend beigetragen haben: „Das riecht nach politischer Arroganz einer Regierung, die nicht mit der öffentlichen Meinung im Einklang ist.“
Cummings war Ende März trotz strikter Ausgangssperren mit seiner erkrankten Frau und seinem Sohn quer durchs Land gefahren. Der Aufschrei war gewaltig, die Rücktrittsforderungen entsprechend laut, doch Cummings lehnte jede Konsequenz daraus ab.
Mittlerweile sind im ganzen Land Regelverstöße gegen die Corona-Vorsichtsmaßnahmen nicht zu übersehen. Ende Juli rief der National Trust, eine Organisation für Naturschutz und Denkmalpflege, Briten dazu auf, auch bei „Staycations“ Regeln und Gesetze einzuhalten. „Seit der Lockerung des Lockdowns haben verschiedene touristische Brennpunkte einen signifikanten Anstieg an Campinggästen und Wohnmobilen verzeichnet, die unerlaubt über Nacht bleiben“, hieß es.
Die Besucher hinterlassen Unordnung und Kopfschmerzen. In Dovedale im Peak District Nationalpark mussten Förster kürzlich 170 große Säcke Müll von illegalen Campern aufsammeln. Im Seeort Buttermere fanden die Behörden an einem Abend 118 illegal geparkte Campingwägen vor. „Dieses unsoziale Verhalten kostet uns viel Zeit“, sagt Rob Rhodes, der Chef der National Trust Rangers: „Niemand sollte dieses Chaos beseitigen müssen.“
Polizisten beschimpft und bespuckt
Die Polizei hat mit Patrouillen gegen Wildcamping und illegale Übernachtungen begonnen. Bis zum 24. Juli wurden mehr als 530 solche Veranstaltungen gezählt. Oft werden Beamte, die zur Auflösung anrücken, mit Beschimpfungen und Gewalt begrüßt.
Alkohol und Drogen
Im Londoner Stadtteil Brixton Ende Juni wurden Polizisten mit Flaschen beworfen und attackiert – 22 wurden verletzt. Im Stadtteil White City Anfang Juli flogen sogar Ziegel. Diese Parties „sind für Leute in der Nachbarschaft gefährlich und äußerst störend“, erklärte Scotland-Yard-Kommandant Ade Adelekan am 24. Juli als er zur Ordnung aufrief. „Große Menschenmengen tauchen auf, spielen laute Musik und konsumieren Alkohol und manchmal Drogen, und richten Schaden an. Die Angst, die das erzeugt, ist völlig inakzeptabel.“
Zunahme alarmierend
Illegale Raves in der Natur sorgen in den letzten Wochen immer wieder für Schlagzeilen. Genaue Veranstaltungsorte, oft in Wäldern, werden in letzter Minute über WhatsApp mitgeteilt. Solche Parties sind zwar in Großbritannien seit Ende der 1980er Jahre bekannt, aber „seit dem Lockdown haben sie im ganzen Land alarmierend zugenommen“, erklärt Michael Kill, Sprecher der Nachtlokal-Betreiber, dem KURIER.
Denn Nachtklubs sind weiterhin geschlossen, und die Festivalsaison ist abgesagt. „Verständlicherweise sind die Menschen sozial ausgehungert“, sagt Kill. Was den illegalen Raves aber fehlt sind Sicherheitsvorkehrungen. Bei zwei Raves bei Manchester im Juni starb etwa ein Mann, vermutlich an einer Überdosis Drogen. Eine Vergewaltigung und drei Messerstechereien wurden angezeigt.
Kommentare