Aserbaidschans Herrscher Ilhan Aliyew: Von einem Sieg zum nächsten
Von Raphael Bossniak
Wer in Aserbaidschan regieren will, muss die Erdölbohrinseln des Landes kontrollieren. Das weiß Ilhan Alijew schon seit jungen Jahren: Sein Vater Heidar Alijew, der in den 1990er-Jahren Präsident war, setzte ihn einst als Chef des staatlichen Ölkonzerns SOCAR ein.
Der Kaukasusstaat sitzt auf massiven Erdöl- und Erdgasreserven im kaspischen Meer. Die exportiert er auch nach Europa: 2023 lieferte Aserbaidschan mehr als 250.000 Tonnen Erdöl an Österreich, eine massive Steigerung zu den Vorjahren – wegen des Russland-Boykotts. SOCAR ist mit über 80 Tankstellen auch direkt in mehreren Bundesländern vertreten.
Unausweichliche Wahl
Jetzt, mehr als 20 Jahre nach seinen ersten Schritten bei SOCAR, will sich Alijew als Präsident bestätigen lassen. Seine Wiederwahl scheint unausweichlich: Der autoritär regierende 63-Jährige schwimmt nach der Eroberung von Bergkarabach auf einer Welle der Popularität. Aserbaidschans Armee hatte bei der Offensive im vergangenen Herbst 100.000 ethnische Armenier – fast die ganze Zivilbevölkerung Bergkarabachs – nach Armenien vertrieben.
Schon Alijews erste Wahl war ein Pseudo-Urnengang. Sein Vater Heidar, in der UdSSR Mitglied des Politbüros in Moskau und seit einem Putsch 1993 „nationaler Führer“, war 2003 bei einer TV-Ansprache zusammengebrochen. Seinen Sohn hatte er da schon als „würdigen Nachfolger“ installiert gehabt. „Alijews charismatischer Vater hatte seiner Bevölkerung noch Freiheiten zugestanden“, sagt Aserbaidschan-Experte Hannes Meissner. „Doch unter seinem Sohn, dem harten Bürokraten, wurde der Repressionsapparat ausgebaut.“
2003 und 2005 strömten aserbaidschanische Oppositionelle auf die Straßen. „Das war seine größte Herausforderung“, sagt Meissner. Die Proteste ließ Alijew kaltblütig niederschlagen. Dabei stützte er sich anfangs auf die Verbindungen seines Vaters, der ein Netzwerk aus Ex-Sowjetpolitikern und regionalen Geschäftsmännern aufgebaut hatte. Bald aber waren ihm Geschäftsinteressen wichtiger als die Klans: Er schanzte seiner Ehefrau Mehriban immer mehr Macht zu, machte sie sogar zur Vizepräsidentin, und versorgte ihre beiden Familien mit Macht und Einfluss.
Feindbild Armenien
Alijews zentrales Versprechen an die Bevölkerung über Jahre war, Bergkarabach zurückzuerobern. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet hatte sich in den 1990ern von Aserbaidschan abgespalten. „Alijew hat das Feindbild Armenien auch Jahrzehnte nach dem Krieg aufrechtgehalten“, sagt Meissner. Dieses Wir-gegen-Sie-Gefühl habe er zum Machterhalt eingesetzt, sagt Oppositionsaktivist Bahruz Samadow: „Man hat nur noch über Bergkarabach und Armenien geredet.“
Um sein militärisches Ziel zu erreichen, floss der Erdölreichtum in neueste Militärtechnologie. Vergangenes Jahr eroberte Aserbaidschan schließlich die Region. Nach Jahren der nationalistischen Rhetorik stellt sich die Frage, wie Alijew seine Macht legitimieren will.
Die will Aserbaidschans autoritärer Präsident erst gar nicht aufkommen lassen. Er nutzt die nationalistische Welle in Aserbaidschan, um die Herrschaft seiner Familie mit einer „Siegeswahl“ am Mittwoch zu zementieren. „Das ist die langweiligste Wahl in Aserbaidschans Geschichte“, sagt Samadow. Sogar Aserbaidschans Opposition hat resigniert, alle Gegenkandidaten warben für ihn. „Es wird nicht einmal Proteste geben.“
Die Wahl ist aber auch ein Signal an die EU und Russland. „Aserbaidschan fürchtet westliche Sanktionen, die in einer Öl-Wirtschaft großen Schaden anrichten könnte“, sagt Samadow. Erst im Jänner hatte der Europarat das Land ausgeschlossen, es gab Zweifel an freien und fairen Wahlen. Schon vor Jahren war aufgedeckt worden, dass Alijew Abgeordnete in Europarat und Bundestag systematisch zu bestechen versuchte.
Alijew blickt daher Richtung Russland. Dem Kreml und der EU will er mit einer starken Wiederwahl beweisen, dass er fest im Sattel sitzt.
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