Der "verlässliche Partner“ der EU greift einmal mehr an

Der "verlässliche Partner“ der EU greift einmal mehr an
Ab 2027 sollen jährlich 20 Milliarden Kubikmeter Gas von Aserbaidschan in die EU fließen. Das Land sei „ein verlässlicher Partner“.
Armin Arbeiter

Armin Arbeiter

Drohungen, Blockaden, Truppenbewegungen – und dann der Start einer „lokal begrenzten antiterroristischen Operation“ mit dem Bombardement der 100.000-Einwohner-Stadt Stepanakert. Aserbaidschan holt sich mit Gewalt, was es bereits vor drei Jahren bekommen wollte: die von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach.

Aus Sicht Bakus ist es die Wiederherstellung der territorialen Einheit. Laut Völkerrecht gehört die armenische Exklave Bergkarabach zu Aserbaidschan (nachdem Stalin die Region nach dem Prinzip „teile und herrsche“ der Sowjetrepublik Aserbaidschan zugesprochen hatte). Wie dies allerdings passiert, hat mit Völkerrecht nichts zu tun. Nachdem die Spannungen über Wochen zugenommen hatten, die Versorgungslage der Bewohner Bergkarabachs aufgrund einer monatelangen aserbaidschanischen Blockade immer prekärer geworden war, schlug das Militär mit Drohnen und Artillerie zu – und dürfte wohl bald mit Bodentruppen in Stepanakert einmarschieren. Die Sorge um das Schicksal der Zivilisten ist groß.

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Für Russland steht Einfluss in der Region auf dem Spiel

Der Konflikt ist vielschichtig, hat eine blutige Geschichte mit dunklen Kapiteln – eines davon die Vertreibung von 700.000 Aserbaidschanern durch die Armenier, nachdem diese einen verheerenden Krieg Anfang der Neunzigerjahre gewonnen hatten. Und vor allem hat dieser Konflikt eine größere internationale Bedeutung, als man gemeinhin glauben mag: Für Russland steht der Einfluss in der Region auf dem Spiel. Die traditionelle Schutzmacht Armeniens verbot dem Land etwa, russische Luftüberlegenheitsjäger im Krieg vor drei Jahren einzusetzen. Sie wären den aserbaidschanischen Systemen (aus Israel sowie aus dem NATO-Staat Türkei) unterlegen gewesen. Als Vermittler und Friedenstruppensteller hat Moskau spätestens jetzt versagt.

Sollte Aserbaidschan nach der Eroberung Bergkarabachs auch auf armenisches Gebiet vorstoßen, um etwa eine direkte Verbindung zur Exklave Nachitschewan herzustellen, droht der Iran, sich in den Konflikt einzumischen.

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EU von Konflikt betroffen

Und auch die EU betrifft dieser Konflikt: Ab 2027 sollen statt der bisher 8 Milliarden Kubikmeter Gas 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr von Aserbaidschan in die EU fließen. Das Land sei „ein verlässlicher Partner“, ließ Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wissen.

Den Angriff auf Bergkarabach wird der EU-Chefdiplomat Josep Borrell mit ein paar Statements verurteilen und den Wunsch äußern, „zum Dialog“ zurückzukehren. Diesen hat Brüssel tatsächlich im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht, Gesprächsrunden und Treffen zwischen den Regierungschefs organisiert. Doch spätestens seit dem ersten Angriff Aserbaidschans auf Bergkarabach ist für Baku klar: Die Konsequenzen dafür halten sich in Grenzen.

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