Über viele Jahre galt der Sport in Hongkong als Ventil für Unabhängigkeitsbefürworter. Seit die Stadt 1997 von Großbritannien als Sonderverwaltungszone an die Volksrepublik China zurückgegeben wurde, muss bei Sportveranstaltungen die chinesische Hymne abgespielt werden - ein Moment, der von chinakritischen Hongkongern regelmäßig dazu genutzt wurde, die Hymne auszubuhen.
Hongkongs Justiz will Kritiker rund um den Gedenktag des Tian'anmen-Massakers zum Schweigen
Seit Chinas Regierung 2019 ein nationales Sicherheitsgesetz über Hongkong verhängte und die breiten Demokratieproteste niederschlagen ließ, ist jeglicher Ausdruck des zivilen Widerstands selten geworden. Mit dem neuen, diesmal von der Hongkonger Regierung selbst ausgerufenen Sicherheitsgesetz Ende März bieten etliche, schwammig formulierte Straftatbestände den Behörden Möglichkeiten zur willkürlichen Verfolgung von Kritikern.
Besonders in diesen Tagen, rund um den 35. Jahrestag des Tian'anmen-Massakers, wird das deutlich. Am 4. Juni 1989 schlug die chinesische Volksbefreiungsarmee friedliche Studentenproteste am Platz des Himmlischen Friedens in Peking gewaltsam nieder; töteten dabei tausende Zivilisten. In Hongkong, wo bis 2019 noch jährlich Gedenkfeiern stattfanden, kam es schon Tage vor dem traurigen Jubiläum zu zahlreichen Festnahmen, erst am vergangenen Freitag wurden 14 Demokratieaktivisten wegen Hochverrats verurteilt.
Am Dienstag, dem Gedenktag des Massakers, wurde etwa der Performancekünstler Chen Sanmu festgenommen, weil er mit seinem Finger die Zahlen "8964" in die Luft gemalt hatte - aus Sicht der Polizei zählt das bereits als "Störung der öffentlichen Ordnung". In diesem Zusammenhang ist auch die Härte zu sehen, mit der am Donnerstag gegen die Fußballfans vorgegangen wurde: Widerstand gegen das Mutterland China hat im heutigen Hongkong keinen Platz mehr.
Zwei seit 1997 abgestellte britische Richter treten wegen der "politischen Situation" zurück
Mit dem Ende vieler persönlicher Freiheiten für die rund sieben Millionen Einwohner endet auch der Status Hongkongs als Vorzeige-Rechtsstaat, der die Stadt über viele Jahrzehnte zum wichtigsten Wirtschafts- und Handelszentrum Asiens machte. Als ehemalige britische Kolonie gilt in Hongkong bis heute ein Rechtssystem, das an das britische angelehnt ist.
Das Hongkonger Höchstgericht ist seit der Rückgabe Hongkongs an China zum Teil mit internationalen Richtern besetzt, die für große Prozesse eingeflogen werden. So sollte ursprünglich die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet werden. Doch weil Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz seit 2019 von einem eigens eingeführten, von der Hongkonger Regierung besetzten Gericht behandelt werden, haben die internationalen Richter keinen Einfluss auf die Entscheidungen.
Am Donnerstag, unmittelbar nach Bekanntwerden der Festnahmen im Stadion, legten deshalb gleich zwei britische Höchstrichter ihre Ämter in Hongkong zurück: Lawrence Collins und Jonathan Sumption, die beide früher bereits für den Obersten Gerichtshof Großbritanniens tätig waren. Collins nannte in einem Statement "die politische Situation in Hongkong" als Grund.
Sumption, der zudem als Historiker und Buchautor in Großbritannien bekannt ist, äußerte sich nicht öffentlich. Vor zwei Jahren hatte er noch im Guardian erklärt, ein Rücktritt würde "den Menschen in Hongkong nicht weiterhelfen - im Gegenteil". Damals hatte Richterkollege Robert Reed, der amtierende Präsident des britischen Höchstgerichts, sein Amt in Hongkong bereits aus Protest gegen das Sicherheitsgesetz niedergelegt.
Damit verbleiben noch acht internationale Richter im Hongkonger Höchstgericht, drei davon aus Großbritannien. Für die Regierung um Chief Executive John Lee sind die Abgänge ein Reputationsschaden, den er am Freitag zu beschönigen versuchte: "Hongkong ist vom Chaos zur Ordnung übergegangen. Das hat weder Auswirkungen auf die Freiheiten unserer Bürger noch auf die Gerichte. Unsere nationale Sicherheit wird heute einfach stärker geschützt."
Anhänger der Demokratiebewegung begrüßen die Rücktritte dagegen: "Wir haben seit Langem dafür plädiert, dass keine ausländischen Richter den autoritären Hongkonger Gerichten weiterhin in irgendeiner Form Glaubwürdigkeit verleihen sollten", erklärte etwa die in Großbritannien lebende Demokratieaktivistin Alyssa Fong. Sie fordere deshalb auch den Rücktritt der verbliebenen internationalen Richter.
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