Hillarys Eingreiftruppe und Trumps Sexismus

Hillary Clinton spürt Aufwind – nicht zuletzt dank Donald Trumps Fehlern.
Der KURIER war in Hillary Clintons abgeschotteter Wahlkampfzentrale und erfuhr, wie man sich dort auf die heutige zweite TV-Debatte mit Donald Trump vorbereitet. Seine Frauenverachtung erweist sich zusehends als sein größtes Problem.

Der Angriff war über Tage minutiös geplant worden, alles stand bereit. Den Startschuss aber musste die Kandidatin selbst geben, live auf Sendung, in der ersten TV-Debatte mit Donald Trump. Erst als Hillary Clinton dort den Republikaner mit dem Vorwurf konfrontierte, er habe die ehemalige Miss Universe, Alicia Machado, als "Miss Piggy" und "Miss Haushälterin" beschimpft, drückte man in der Wahlkampf-Zentrale in Brooklyn auf den Knopf.

Dann ging das Video online, in dem die Venezolanerin unter Tränen erzählt, wie sie Trump, damals, 1996, mit seinen Beleidigungen in Depressionen und Medikamentensucht getrieben hatte. "Ein paar Minuten später, hatten das schon zwei Millionen Menschen angeklickt", freut sich ein Mitarbeiter Clintons über den Erfolg des taktischen Manövers. Denn bis zuletzt war nicht klar gewesen, ob Clinton die Attacke auch tatsächlich in dem hektischen TV-Duell unterbringen würde: "Wir hätten das Interview ein paar Tage später rausgespielt, aber das hätte nie diese Wirkung gehabt. Es hat Trump die ganze Wahlkampfwoche versaut."

Kein Türschild

Der richtige Zeitpunkt, das richtige Medium und natürlich exakt die richtige Botschaft, das ist das Ziel, um das sich im Hauptquartier der Clinton-Wahlkampagne im New Yorker Stadtteil Brooklyn alles dreht. Mehr als 500 Leute sind hier in drei Stockwerken eines unauffälligen Bürogebäudes fast rund um die Uhr am Werken, dirigieren von hier aus die Hunderten übers ganze Land verteilten Wahlkampf-Büros.

Es gibt keinen Souvenirstand mit den sonst bei jeder Wahlkampf-Veranstaltung erhältlichen T-Shirts oder Stickern, kein Türschild. Selbst auf der Liste des Rezeptionisten stehen zwar die Dutzenden anderen Firmen, die hier residieren, Clintons Team kommt darauf aber mit keinem Wort vor. Wer es dann endlich und nur mit Begleitung in den zehnten Stock geschafft hat, erlebt ein Großraumbüro, in dem dicht gedrängt Menschen vor Bildschirmen sitzen, telefonieren, oder sich, mit ihren Laptops bewaffnet, in irgendeinem der unzähligen winzigen Konferenzzimmer versammeln. "Sorry, striktes Fotografier-Verbot", kommt sofort die Ermahnung, wenn man auch nur das Smart Phone zückt.

Es geht geschäftig, aber erstaunlich leise zu. Nur auf den Gängen draußen schreit immer wieder jemand nervös in sein Mobiltelefon. "Wir sitzen eben im Auge des Orkans – da geht es ja auch eher ruhig zu", scherzt Jesse aus der Kommunikationsabteilung. In seinem Team sitzen Spezialisten für jede Art von Medium, egal ob spanischsprachiger Nachrichtenkanal, Tageszeitung für Afro-Amerikaner oder jüdisches Wochenblatt: "Wir haben die Interviewpartner, die jüngsten Umfragedaten, Experten, die zu jedem Medium genau passen."

Faktencheck

Viel Arbeit, aber bei Weitem nicht so hektisch wie die etwa 30 Kollegen von der "schnellen Eingreiftruppe" einen Stock tiefer. Hier hat man vergangenen Sonntagabend das Interview mit der Miss Universe gestartet. Andere Attacken aber müssen noch viel schneller und ohne lange Vorbereitungen gehen. So wird man von hier aus auch während der heutigen Debatte über Twitter und einen eigenen Online-Blog Fakten und Korrekturen zu allen Attacken Trumps ausschicken.

Hillarys Eingreiftruppe und Trumps Sexismus
Republican presidential nominee Donald Trump pauses before answering questions at the "Retired American Warriors" conference during a campaign stop in Herndon, Virginia, U.S., October 3, 2016. REUTERS/Mike Segar TPX IMAGES OF THE DAY
"Trump wörtlich" soll so rasch wie möglich Unwahrheiten, mit denen der Republikaner argumentiert, entlarven. Auch dafür hat man – gleich im nächsten Abschnitt des Großraumbüros – eine eigene Truppe, die so rasch wie möglich diese Fakten checkt.

Dort hat man heute Abend natürlich ebenfalls Großeinsatz. "Lass mich das schnell für dich googeln", ist das Motto dieses Recherche-Teams, das man auch unübersehbar auf einem Schild über den Schreibtischen platziert hat. Ein solches Motto hat hier jedes Team, "Wir kriegen das schon hin", ist etwa das der IT-Mannschaft, die hier alle digitalen Kanäle und die Rechner im Hauptquartier am Laufen halten muss.

Nicht so viele Fakten, aber ständig neue Ideen braucht das Digital-Team, das den Auftritt in sämtlichen Sozialen Medien organisiert. Hier hat man in der Vorwoche zum Beispiel eine Gegenoffensive zu Donald Trumps nächtlichen Twitter-Meldungen gestartet. Der Milliardär meldet sich ständig etwa um drei Uhr früh mit ziemlich groben, oft beleidigenden Kommentaren zu Wort. Jetzt aber wird aus Brooklyn retour getwittert, mit Meldungen, die Trumps Grobheiten parodieren.

Eines von Dutzenden taktischen Spielchen in einem Wahlkampf, der jetzt im Finale ständig hektischer und wie ein Mitarbeiter meint, "immer unlogischer" wird: "Gerade in den Sozialen Medien ist überhaupt nicht abzuschätzen, was funktioniert, und was nicht."

Kampf um "Millennials"

Doch die Sozialen Medien sind für das Clinton-Team eines der wichtigsten Spielfelder im Finale des Wahlkampfes. Stehen doch die sogenannten "Millennials" derzeit als Zielgruppe im Brennpunkt aller Bemühungen. Diese rund um die Jahrtausendwende geborenen Amerikaner sind gerade erwachsen geworden, können zwar mit Trump mehrheitlich gar nichts anfangen, stehen aber auch Clinton eher gleichgültig gegenüber. Gerade sie kann man gut über die sozialen Medien erreichen, aber auch damit, dass man ihren wahren Helden jetzt wieder verstärkt ins Rennen schickt.

Bernie Sanders, der 75-jährige Parteilinke, der Clinton in der Vorwahl der Demokraten vor allem die jungen Wähler wegschnappte, ist vor ein paar Tagen an ihrer Seite im Wahlkampf aufgetaucht. Nicht zum letzten Mal, wie ein Mitarbeiter aus dem Organisationsteam verrät. Auch Präsident Barack Obama und First Lady Michelle sind jetzt ständig für die Kandidatin auf Tour. Und in der Wahlkampfzentrale wird man aus diesen Auftritten auch online alles herausholen: Kurze Videos über Facebook, Zitate auf Twitter, Fotos über Instagram.

Shorts und Flip-Flops

Für die meisten Mitarbeiter hier sind diese Sozialen Medien eine bestens vertraute Spielwiese, sind sie doch fast alle unter Dreißig und mit dem Internet groß geworden. Selbst Robby Mook, der Chef der Wahlkampf-Zentrale, ist gerade einmal 36. Entsprechend locker ist hier der Umgang miteinander, und auch die Kleiderordnung. Sogar für wichtige Strategie-Besprechungen mit dem Chef sind kurze Hosen und Flip-Flops ausreichend. Unruhe sei nur dann ausgebrochen, erinnert sich ein Mitarbeiter, als kürzlich Bill Clinton in der Zentrale vorbeischaute: "Da schaut dann jeder, dass er zumindest in seine Schuhe schlüpft."

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