Israel spricht von "schwersten Kämpfen" seit Beginn der Bodenoffensive

Palestinian children carry items as they walk at the site of Israeli strikes in Khan Younis
Das israelische Militär liefert sich nach eigenen Angaben die schwersten Kämpfe seit Beginn der Bodenoffensiv. Ärzte ohne Grenzen warnt, dem Al-Aksa-Krankenhaus gingen die Vorräte aus.

Das israelische Militär liefert sich nach eigenen Angaben die schwersten Kämpfe mit der radikal-islamischen Hamas seit Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen. Die Truppen seien in erbitterte Gefechte in Khan Younis verwickelt, teilte das Militär am Mittwoch mit. Die größte Stadt im Süden des Gazastreifens ist seit Dienstag von israelischen Soldaten eingekesselt, die bereits ins Zentrum vorgedrungen sind. Hunderte Ziele der Hamas seien angegriffen worden, so das Militär.

Die Qassam-Brigaden, der bewaffnete Teil der Hamas, erklärten, ihre Kämpfer seien an den Gefechten mit israelischen Truppen beteiligt. Am Dienstag seien acht israelische Soldaten getötet oder verletzt worden, zudem seien 24 israelische Militärfahrzeuge zerstört worden. Auf seiner Website nannte das israelische Militär für Dienstag zwei getötete Soldaten, seit Beginn der Bodenoffensive seien es insgesamt 83.

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Waffenlager neben Krankenhaus

Im Norden des Gazastreifens hat die israelische Armee unterdessen nach eigenen Angaben ein riesiges Waffenlager nahe einem Krankenhaus und einer Schule entdeckt. Dort hätten sich Hunderte Panzerfaustgeschosse und Panzerfäuste befunden, Dutzende Panzerabwehrraketen, Dutzende Sprengsätze, Raketen mit längerer Reichweite, Dutzende Granaten sowie Drohnen, teilte die Armee am Mittwoch mit. Es handle sich "um eines der größten Waffenlager", die bisher im Gazastreifen entdeckt worden seien.

Eine palästinensische, aus dem Norden geflüchtete Familie in einem Camp in Rafah im Süden des Gazastreifens.

Eine palästinensische, aus dem Norden geflüchtete Familie in einem Camp in Rafah im Süden des Gazastreifens.

Die Waffen seien von den Soldaten mitgenommen worden, manche würden weiter untersucht, andere seien direkt vor Ort zerstört worden. "Die gesamte Terrorinfrastruktur hat sich direkt neben Wohngebäuden im Herzen der zivilen Bevölkerung befunden", schrieb der Sprecher. "Dies ist ein weiterer Beweis der zynischen Verwendung der Bewohner des Gazastreifens durch die Terrororganisation Hamas als menschliche Schutzschilde."

Die israelische Raketenabwehr Arrow hat nach Armeeangaben erneut eine Boden-Boden-Rakete im Bereich des Roten Meeres abgefangen. Die Rakete sei nicht in israelisches Gebiet eingedrungen und habe keine Bedrohung für Zivilisten dargestellt, teilte die Armee ebenfalls am Mittwoch mit. Zuvor war Raketenalarm in der Stadt Eilat am Roten Meer im Süden Israels ausgelöst worden. Bereits Ende Oktober und im November hatte Israel im Bereich des Roten Meeres Boden-Boden-Raketen abgefangen.

Al-Aksa-Spital gehen Medikamente aus

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) forderte indes ein Ende der Belagerung des Gazastreifens. Im Al-Aksa-Krankenhaus in der Mitte des Gebiets seien die Vorräte an Treibstoff und medizinischem Material inzwischen auf einem kritischen Niveau, teilte die Hilfsorganisation am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mit. Grund dafür seien Straßensperrungen. "Die Belagerung muss aufgehoben werden, medizinische Hilfsgüter müssen dringend in den gesamten Gazastreifen geliefert werden", so Ärzte ohne Grenzen.

Seit Wiederaufnahme der Kämpfe am 1. Dezember sind nach MSF-Angaben täglich durchschnittlich 150 bis 200 Menschen mit Kriegsverletzungen in das Krankenhaus gekommen. "Es gibt derzeit 700 Patienten in dem Krankenhaus, ständig kommen neue. Uns gehen die grundlegenden Vorräte aus, um sie zu behandeln", sagte Nothilfekoordinatorin Marie-Aure Perreaut Revial der Mitteilung zufolge.

Der Mangel an Medikamenten und Treibstoff könnte dazu führen, dass das Krankenhaus keine lebensrettenden Operationen und intensivmedizinische Behandlungen mehr durchführen könne, warnte die Organisation. Ohne Elektrizität könnten keine Beatmungsmaschinen betrieben werden, keine Bluttransfusionen stattfinden, und die Sterilisation von chirurgischen Instrumenten sei unmöglich. Das Krankenhaus benötige dringend Operationsbesteck, Vorrichtungen, um gebrochene Knochen zusammenzuhalten und grundlegende Medikamente, einschließlich solcher für chronische Krankheiten, so Perreaut Revial.

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Hamas-Chefs getötet

Die israelischen Truppen seien weiter dabei, Waffen, Tunnelschächte, Sprengstoff und weitere militärische Infrastruktur zu lokalisieren, erklärte indes die Armee am Mittwoch in der Früh. Ein Kampfflugzeug habe im Verbund mit den Bodentruppen zwei Raketenabschussrampen getroffen, von denen aus Terroristen ein Sperrfeuer von Raketen auf das Zentrum Israels abgeschossen hätten.

Palästinenser in Kan Younis, 6. Dezember 2023. Die Stadt wird aktuell heftig umkämpft.

Palästinenser in Kan Younis, 6. Dezember 2023. Die Stadt wird aktuell heftig umkämpft.

Die israelischen Streitkräfte haben im Gazastreifen nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu inzwischen rund die Hälfte aller Bataillonskommandanten der islamistischen Hamas getötet. Das sagte er auf einer Pressekonferenz am Dienstagabend. Die Hamas verliere allmählich die Kontrolle über den abgeriegelten Küstenstreifen, fügte sein Verteidigungsminister Yoav Galant hinzu.

Weißes Haus "zutiefst besorgt" über zivile Opfer

In der US-Regierung wird laut einem Medienbericht davon ausgegangen, dass Israels massive Bodenoffensive im Süden noch bis zum Jänner andauert. Wie der US-Sender CNN unter Berufung auf mehrere ranghohe US-Regierungsbeamte berichtete, könnte Israel demnach in einigen Wochen zu einer "weniger intensiven, stark lokalisierten Strategie übergehen", die auf bestimmte Hamas-Terroristen und -Führer abziele.

Das Weiße Haus sei "zutiefst besorgt" darüber, wie sich die israelischen Operationen in den nächsten Wochen entwickeln werden, wurde ein Beamter zitiert. Die Meinung der Weltöffentlichkeit wende sich zunehmend gegen die gegenwärtige Bodenoffensive, bei der Tausende von Zivilisten getötet werden, berichtete der Sender weiter. Sorge bereiten auch die wachsenden Spannungen im Westjordanland. Als Reaktion darauf erlässt die US-Regierung Einreisebeschränkungen, die sich unter anderem gegen extremistische israelische Siedler richten. Es habe einen alarmierenden Anstieg an Gewalttaten gegeben, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag.

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Rauch über Gaza, 6. Dezember 2023.

Rauch über Gaza, 6. Dezember 2023.

Das UNO-Menschenrechtsbüro beklagte, dass die israelischen Angriffe, die auf zivile Infrastruktur abzielten oder diese träfen, "Anlass zu ernsten Bedenken hinsichtlich der Einhaltung des humanitären Völkerrechts gebe und "das Risiko von Gräueltaten" erheblich erhöhe. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums sind inzwischen mehr als 16.200 Menschen in Gaza getötet worden. Unabhängig lässt sich dies gegenwärtig nicht überprüfen, die UNO und Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.

Netanjahu kritisierte unterdessen Menschenrechtsorganisationen und die UNO dafür, sich nicht zu den sexuellen Verbrechen der Hamas gegen Frauen geäußert zu haben. Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer Terrorgruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden getötet. Nach neuesten Angaben der israelischen Armee sind derzeit noch 138 Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer extremistischer Gruppen.

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