Die Hamas ist geschwächt, aber nicht geschlagen

Hamas-Terroristen bei der Übergabe israelischer Geiseln – noch immer sind rund 160 Israelis in der Gewalt der Terroristen
Israels Regierung steht nun vor einem Dilemma: Feuerpause beenden und damit Geiseln gefährden oder kämpfen und die Hamas zerstören?

Lassen sich Erfolg oder Verluste von Israels Krieg gegen die Terrororganisation Hamas messen? Schätzungen gehen davon aus, dass bisher um die 6.000 der auf 30.000 geschätzten Hamas-Kämpfer getötet wurden. Etwa zehn Prozent der unterirdischen Hamas-Anlagen in Gaza sollen zerstört worden sein.

Schwere Schläge, die aber weder die Kampffähigkeit noch die Kampfmoral der Terroristen entscheidend zerstört haben. So konnten sie auch ihre unterirdischen Einrichtungen unter dem zentralen Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt rechtzeitig räumen.

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Wie also weiter tun?

Israels Armeesprecher wiederholt fast täglich: „Wir können sofort die Offensive weiter fortsetzen.“ So könnte die Armee nun auch in den Südteil des Gazastreifens vorrücken, wo die Hamas ihre wichtigsten Einrichtungen und Waffenlager hat.

Bevölkerung zur Flucht aufgefordert

Bereits am Mittwoch wurde die palästinensische Zivilbevölkerung der Stadt Chan Junis aufgefordert, in westliche Richtung zu flüchten.

Die Wut der Menschen in Gaza über ihre Not wird unterdessen immer deutlicher. Videos im Internet zeigen, wie Zivilisten einen Offizier der Hamas verprügeln, der internationale Hilfslieferungen für die kämpfende Truppe abzweigen wollte. Wie lange kann die Zivilbevölkerung ihre Not noch hinnehmen?

Ein weiteres Fehlkalkül der Hamas: Mit dem Massaker sollten auch Israels neue Bündnispartner unter den arabischen Golfstaaten abgeschreckt werden. Das wurde nicht erreicht. Auch die erwartete Unterstützung iranischer Verbündeter wie der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah oder der Huthi-Rebellen im Jemen blieb schwach. Der Iran selbst betont, er sei am Konflikt nicht beteiligt.

Erste Anzeichen deuten jetzt darauf hin, dass die aktuelle Feuerpause um weitere Tage verlängert wird. Rücksicht auf die 150 in Hamas-Gewahrsam verbliebenen israelischen Geiseln und internationaler Druck könnten Israel sogar zwingen, die Kämpfe nach Freilassung aller Geiseln dauerhaft einzustellen. Die USA sehen langfristig keinen Sinn darin, Gaza in eine Geröllwüste zu verwandeln, während sich die Terroristen in einem Hunderte Kilometer langen Tunnelsystem verstecken.

Vorteil für die Hamas

Hier scheint die Strategie der Hamas aufzugehen. Der Terrororganisation ist es gelungen, Israels Premier Netanjahu in ein unlösbares Dilemma zu manövrieren. Die ideologischen Rassisten in seiner Regierung wollen einer Kampfeinstellung nicht zustimmen. Doch eine Einstellung des Austauschs von Geiseln mit Hamas-Strafgefangenen würde die Öffentlichkeit als Verrat an den Geiseln sehen.

So wirkt sich die Feuerpause eindeutig zugunsten der Hamas aus, weshalb sie mit immer neuen Geisel-Raten weitere Verlängerungen erreichen will. Sie kann in dieser Pause ihre angeschlagenen Kräfte im Norden des Streifens wieder verstärken und mit Nachschub versorgen. Die Geiseln lassen sich in neue Verstecke bringen. Und der israelischen Armee kann das berühmte „Momentum“ ihres entschiedenen Vormarsches verloren gehen.

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