Noch ist Joe Bidens Vize nicht endgültig als neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten nominiert, doch nahezu alle namhaften Parteimitglieder, Gouverneure, Senatoren und Funktionäre haben sich bereits hinter Harris gestellt und unterstützen ihre Kandidatur. Konkurrenten aus der eigenen Partei gibt es so gut wie keine. Am 7. August, mehr als eine Woche vor dem Parteitag in Chicago, sollen die knapp 4.000 Parteidelegierten ihre "Frontrunnerin" in einer Online-Abstimmung als fixe Kandidatin festlegen.
In die Knie gezwungen
Blass und schwer zu fassen, sei bisher das Image der Vizepräsidentin gewesen, lautete der Vorwurf der meisten Amerikaner. Ihr fehle ein echtes "Narrativ", mäkelt auch die New York Times. Doch bei früheren Wahlkämpfen hatte die Tochter einer indischen Krebsforscherin und eines jamaikanischen Ökonomen durchaus reüssiert:
Zwei Mal wurde sie zur Bezirksstaatsanwältin von San Francisco gewählt, einmal zur Generalstaatsanwältin von Kalifornien, einmal schließlich zur Senatorin. Und jedes Mal zog es wieder, das Bild von der toughen Kämpferin für das amerikanische Recht, von einer Staatsanwältin, die sogar Banken in die Knie zwang und die Milliarden an Entschädigung an Kleinkunden zurückzahlen mussten.
Im Duell mit Donald Trump bietet sich der Demokratin das perfekte Szenario: Die Ex-Staatsanwältin teilt gegen den verurteilten Straftäter aus: In New York war Trump im Vorjahr zivilrechtlich wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Es war das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein ehemaliger Präsident wegen einer Straftat verurteilt wurde. Und heuer sprach ihn ein weiteres Gericht im Schweigegeld-Prozess schuldig. "Donald Trump wurde gerade des Betrugs in 34 Fällen für schuldig befunden", sagte Harris.
Sie aber, fuhr die mit sichtbarer Freude sprechende Wahlkämpferin fort, habe sich mit den großen Geldhäusern der Wall Street angelegt und wegen Betrugs zur Rechenschaft gezogen. "Ich verspreche Ihnen, dass ich in diesem Wahlkampf jeden Tag der Woche mit Stolz meine Bilanz mit der von Trump vergleichen werde", rief Harris ihren Tausenden Zuhörern in Milwaukee zu.
Wie Trump auf diese Attacken antworten wird, ist noch völlig offen. Dass Biden so plötzlich aus dem Rennen um das Weiße Haus ausgeschieden ist, scheint die Trump-Kampagne völlig auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Mit ersten verbalen Angriffen unter die Gürtellinie ("sie ist verrückt") schoss der Ex-Präsident eher ziel- und hilflos gegen seine neue Gegnerin.
Noch tiefer ging es bei Trumps Vize J.D. Vance zur. Der twitterte: Harris sei ein "kinderloses altes Weib, die ihr eigenes Leben bedauert".
Steigende Umfragewerte
Doch allein schon die Tatsache, dass statt dem 81-jährigen Joe Biden nun die mehr als 20 Jahre jüngere Kamala Harris auf dem demokratischen Präsidentschaftsticket steht, dürfte so machen Wähler und Wählerin beflügeln - das zeigen die neuesten Umfragen. Erstmals konnte sie einen knappen Vorsprung gegenüber Trump verbuchen. In einer am Dienstag veröffentlichen landesweiten Umfrage von Reuters/Ipsos kommt Harris auf 44 Prozent, Trump liegt bei 42 Prozent.
Noch wichtiger aber sind andere Erhebungen: Demnach soll unter den 18- bis 35-jährigen US-Bürgern, die den Demokraten zuneigen, in den Swingstates die Bereitschaft, am 5. November wählen zu gehen, um fünf Prozentpunkte gestiegen sein.
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