Ein kurzer Satz mit großer Wirkung. Man sei sich der „positiven Ergebnisse bewusst“, ließ der US-Pharmakonzern Gilead am Mittwoch kurz vor Börsenstart mitteilen. Als dann kurz darauf Anthony Fauci, derzeit die US-Autorität in Sachen Corona, von einer „positiven Wirkung“ sprach und sich „optimistisch“ zeigte, kannten die Kurse kein Halten mehr und stiegen zweistellig.
Remdesivir, der vor Gilead ursprünglich gegen Ebola entwickelte Wirkstoff, gilt in diesen Tagen als der Hoffnungsträger im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Eine Euphorie, die in Anbetracht der Dringlichkeit einer wirksamen Therapie nachvollziehbar scheint. Die derzeit vorliegenden Ergebnisse sind allerdings vorläufig, die Studien, auf die sie sich beziehen, bei Weitem nicht abgeschlossen. Experten sind vorsichtig optimistisch. Fauci selbst etwa gestand ein, dass man vorerst nicht von einer „überwältigenden Wirkung von 100 Prozent“ sprechen könne: „Es ist ein sehr wichtiger Beweis für das Konzept, dass ein Medikament diesen Virus blockieren kann.“
„Keine signifikante Wirkung“
Nur wenige Tage zuvor wies eine in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlichte Studie exakt in die Gegenrichtung. Der Einsatz des Medikaments sei „nicht mit signifikanten klinischen Vorteilen verbunden“, hieß es da. Die Studie, die in China durchgeführt wurde, liefert allerdings international Anlass zur Kritik. Sie wurde vorzeitig abgebrochen, da nicht mehr genügend Patienten zur Verfügung standen, daher wurden zu wenig Kranke untersucht.
Eine Kritik, der sich auch der österreichische Infektiologe Alexander Zoufaly anschließt, die Ergebnisse seien „nicht aussagekräftig“. Zoufaly, der am Wiener Kaiser-Franz-Joseph-Spital selbst Remdesivir eingesetzt hat, gibt sich im Gespräch mit dem KURIER zur Wirkung des Medikaments nur vorsichtig optimistisch: „Es gibt eine Wirksamkeit, aber über das Ausmaß bin ich mir noch nicht im Klaren.“ Man solle Remdesivir vor allem so früh wie möglich einsetzen.
Bis tatsächlich verlässliche Ergebnisse vorhanden sind, wird es also noch viele Wochen dauern. Das Wundermittel aber, das war im Gespräch mit Insidern zu erfahren, sei Remdesivir nicht, aber es sei im Kampf gegen die Pandemie derzeit jeder auch kleine Heilungserfolg wichtig.
Dass der Konzern sich mithilfe von US-Gesetzen über Jahre den exklusiven Vertrieb und die Preisgestaltung bei dem Präparat gesichert hat, ruft bei US-Patientenrechtsorganisation Kritik hervor. Die Firma sei nur auf Profit aus. „Das zeigt, dass man sich nicht einmal in einer Pandemie darauf verlassen kann, dass sich Pharmakonzerne bei ihren Preisen zurückhalten“, meinte ein Sprecher der US-Organisation „Patienten für erschwingliche Medikamente“ zur Times. Gilead kontert und verspricht, Remdesivir weltweit zu vernünftigen Preisen verfügbar zu machen.
Profiteur Donald Rumsfeld
Es ist nicht das erste Mal, dass der US-Konzern durch die Euphorie eines von ihm entwickelten Medikaments finanziell massiv profitiert. Auch das Grippe-Medikament „Tamiflu“ trieb 2005 Aktienkurs und Verkäufe rasant in die Höhe. Inzwischen wird dessen Wirkung von vielen Medizinern äußerst skeptisch beurteilt. Einer der Aktionäre, dem der Boom damals zugutekam, war US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld.
Der Republikaner war über viele Jahre Mitglied und später auch Vorsitzender des Aufsichtsrates von Gilead. Seine Gilead-Aktien wurden schon vor dem Tamiflu-Boom
von US-Fachmagazinen auf bis zu 25 Millionen US-Dollar geschätzt. Ein wichtiger Umsatzbringer für Tamiflu war jedenfalls das US-Verteidigungsministerium, das es um Dutzende Millionen für Soldaten kaufte.
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