Die springen, die Briten: Mit dem Kickflip zur Schulreife

Eine Skateboardfahrerin macht einen Trick in einem Skatepark.
In Nordirland und Wales können Schüler die Schulreifeprüfung GCSE künftig mit Skateboard-Skills bestehen. Kuriose Wahlfächer wurden zuletzt rigoros gestrichen.

Theo Hamilton taucht mit dem rechten Fuß an, das Skateboard gewinnt an Fahrt, er steuert auf die Rampe zu und er springt – mitten im Schulturnsaal.

Eine Gruppe von Menschen steht in einer Turnhalle an Tischen an.

Der Ruf des Skateboardens „als aufmüpfige Subkultur, die sich in mit Graffiti beschmierten Räumen tummelt“, wie es ein Moderator von Radio Times kommentiert, sei angeschlagen. Denn nun wurde diese Sportart in Nordirland offiziell für die Schulreifeprüfung im Wahlfach Leibeserziehung aufgenommen. (Im Vereinigten Königreich müssen Schülerinnen und Schüler bereits zur Schulreife eine zentralisierte Prüfung ablegen, Anm.) 

„Ich war ziemlich überrascht", sagt  Theo Hamilton, den die  BBC kurz vor seiner Prüfung im Campbell College in der nordischen Hauptstadt Belfast traf. „Skateboarding ist ja nicht wirklich ein Sport, bei dem man annimmt, dass man ihn in der Schule machen kann.“ Ist die Aufnahme nun also  eine gute Sache? Theo grinst. „Ich würde sagen, eine ziemlich Gute!“

Olympische Disziplin

Aber ist es wirklich ein ernstzunehmender Sport? Jared Purvis, der Skateboard-Profi, der für Nordirland den passenden Lehrplan erstellt hat, runzelt bei der Frage von Radio Times die Stirn. Die 13-jährige Sky Brown, erwiderte er dann, habe für ihre Kenntnisse eine olympische Silbermedaille erhalten. Brauche es ein stärkeres Argument?

Skateboarding ist seit 2020 Olympische Disziplin. Sky Brown mit japanischen und britischen Wurzeln wurde in dem Jahr jüngste Gewinnerin einer olympischen Medaille in der Geschichte Großbritanniens. 

Ein junges Mädchen springt mit einem Skateboard in einer Halfpipe.

Außerdem, argumentiert, die nordirische Prüfungsbehörde CCAE, werde ja nicht nur die Praxis überprüft. Die Schüler müssten sich auch mit der Sporttheorie auseinandersetzen, Wissen zu Regeln und Fitness unter Beweis stellen, ihre Fähigkeiten reflektieren können. 

Was es aber für eine gute Note in der Praxis braucht? „Skateboarding sollte mühelos aussehen“, sagt Jared Purvis zur BBC. „Wenn du etwas auf deinem maximalen Niveau versuchst, wirst du es wahrscheinlich unsanft landen und die Zehen den Boden berühren. Um einen Spitzenwert zu bekommen, sollte man alles Notwendige tun - aber mühelos.“

Gleich zwei britische Länder

Nordirland ist dabei nicht das einzige Land des Vereinigten Königreichs, das Skateboarden zugelassen hat. Wales hat nun nachgezogen.

Zu verdanken haben die walisischen Schüler das vor allem Osian George. Als 15-jährige Waliser erkannte, dass er nicht mit dem Skateboard bei der GCSE-Prüfung antreten durfte, schrieb er aus Protest an die walisische Regierung und die Prüfungsleiter. George fährt jeden Tag Skateboard und belegte 2023 Jahr bei den Urban Games in Cardiff den zweiten Platz. Er ist der Meinung, dass Skateboarding den gleichen Stellenwert haben sollte wie traditionelle Sportarten. Und bekam dabei nun Recht.

Ein Junge mit Helm fährt auf einem Skateboard in einem Skatepark mit Graffiti-Wand.

Ab September 2026 steht Skateboarding gemeinsam mit 12 anderen Sportarten wie BMX-Fahren oder Wakeboarding als Wahlfach zur Verfügung. Auch wenn die Änderung für Osian George zu spät kommt: „Ich bin stolz darauf, dass nun andere Menschen davon profitieren werden.“

Mickey-Mouse-Fächer

Dabei hat der frühere, konservative Bildungsminister Michael Gove ungewöhnliche Optionen für die GCSE-Prüfung vor einem Jahrzehnt rigorous aus dem Register streichen lassen. 

Denn 2012 hatte eine Studie des Bildungsministeriums ergeben, dass fast neun von zehn Jugendlichen mindestens ein sogenanntes „Micky-Maus“-Fach wie „Kuchen backen“, „Partydekoration“ oder auch „Call Center Kompetenz“ belegt hatten. Michael Gove, berichtete die Daily Mail damals, ging „hart gegen die fadenscheinigen Fächer vor“,  die zuvor als ganz oder teilweise gleichwertig mit den Reifeprüfungen in Mathematik und Physik angepriesen wurden. 

Die britischen 16-Jährigen absolvieren bei der GCSE-Prüfung in einem guten Monat zwischen 20 und 30 Prüfungen. Der Stress und die Angst vor der Prüfung führt immer wieder zu psychischer Erschöpfung. Zu Panikattacken, Nasenbluten, schlaflosen Nächten oder Haarausfall. Vielleicht hatten sich einige durch ein „Mickey Mouse“-Fach eine minimale Erleichterung im Prüfungsmarathon erhofft.

Kommentare