Ein Phänomen, das der EU-Kommission schon länger ein Dorn im Auge ist. Dadurch öffne sich für Korruption, Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung Tür und Tor. Doch verbieten kann die Kommission die Vergabe von EU-Pässen nicht – wer eine Staatsbürgerschaft erhält, bestimmen die einzelnen Staaten selbst.
Doch jetzt ist dem EU-Staat Zypern sein „Cyprus Invest Program“ um die Ohren geflogen. Samt einer Aufdeckerstory mit versteckten Kameras, falschen Identitäten, Rücktritten und allem, was man für einen politischen Skandal braucht.
Die Story hinter den „Cyprus Papers“ ist eigentlich seit Jahren bekannt – sehr zum Missfallen der EU. Doch jetzt hat der Nachrichtensender Al Jazeera aufgedeckt, dass unter den rund 3.500 Menschen, die in den vergangenen zehn Jahren mit Investitionen in Zypern die EU-Staatsbürgerschaft gekauft haben, Kriminelle sind – verurteilt, gesucht, oder zumindest verdächtigt. Und dass hochrangige Politiker nicht nur davon wussten, sondern den Erhalt der Staatsbürgerschaft auch trotz dieses Wissens ermöglicht haben.
"Wenn es in Zypern ein Problem gibt, empfehle ich ein anderes EU-Land"
Nachdem der Innenminister Zyperns die Vorwürfe zurückgewiesen und von einer „Kampagne gegen Zypern“ gesprochen hatte, deckte die Recherche auf, dass hohe Funktionäre wie der Parlamentspräsident Demetris Syllouris oder ein Abgeordneter bereit waren, einer Person, die in China wegen Geldwäsche zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden war, einen Pass zu verkaufen.
"Wenn es in Zypern ein Problem gibt", sagt der hochrangige Politiker bei einem privaten Essen, das mit versteckter Kamera gefilmt wurde, empfehle er "ein anderes europäisches Land". Nicht gerade Schweden oder Dänemark, scherzt er, erwähnt aber Malta, Lettland und Slowenien, wo er die Parlamentspräsidenten kenne.
Rücktritte verzögert
Die beschuldigten Politiker traten vorerst nicht zurück, was ihnen heftige Kritik einbrachte. Das Programm wird mit 1. November abgedreht. Auf KURIER-Anfrage bei einer Luxusimmobilienfirma hieß es allerdings, dass das Ende nur vorübergehend sei. Das Programm dürfte für das Land zu lukrativ sein, um es gänzlich aufzugeben. Mehr als acht Milliarden Euro flossen dadurch in zypriotische Kassen.
Mit der Praxis Geld-gegen-Bürgerrechte ist Zypern in Europa nicht alleine. EU-weit wurden in den vergangenen zehn Jahren an die 6.000 Pässe und 100.000 Aufenthaltserlaubnisse verkauft. Gesamterlös daraus: rund 25 Milliarden Euro.
In Österreich fallen einem schnell Fußballer Ivica Vastic oder Opernsängerin Anna Netrebko ein, wenn es um Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse ders Landes geht.
Einen Pass gibt es hier laut Staatsbürgerschaftsgesetz „wegen bereits erbrachter und noch zu erwartender außerordentlicher Leistungen“. Eine bestimmte Investitionssumme ist nicht festgelegt, allerdings gibt es seit 2014 einen unverbindlichen Kriterienkatalog in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und Kultur, erklärt Gerd Valchars, Politologe und Staatsbürgerschaftsexperte and er Uni Wien. Dieser Katalog besagt für den Bereich Wirtschaft, dass reine Geldflüsse nicht für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausreichen. Man müsse eine leitende Funktion in einem Unternehmen haben, das enge Verbindungen zu Österreich hat. Außerdem sei es von Vorteil, wenn man mit der Investition hier Arbeitsplätze schaffe.
Zwar sei die Zahl dieser „besonderen“ Einbürgerungen mit rund 40 pro Jahr in Österreich vergleichsweise gering (bei insgesamt 10.606 Einbürgerungen im Vorjahr), allerdings stelle sich die Frage nach der Gerechtigkeit und der Transparenz, sagt Valchars. Die Namen der „außerordentlichen Österreicher“ werden nicht veröffentlicht, die strengen rechtlichen Kriterien für die Verleihung wie Sprachkenntnisse, Aufenthaltszeit und Wissenstest fallen einfach weg.
Ob in Österreich, Zypern, oder anderen europäischen Staaten - für die Vergabe der Pässe sollten nicht Investitionen den zentralen Ausschlag geben, sondern die persönliche Verbundenheit zum jeweiligen Land, sagt Georg Krakow, Vorstandsmitglied der NGO Transparency International in Österreich, die sich mit Korruptionsbekämpfung auseinandersetzt. Investitionen jedenfalls, so Krakow, seien geschäftspolitische Entscheidungen und deuten nicht auf die Verbundenheit hin.
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