Europäischer Pass? Man muss nur reich genug sein

Malta
Pass gegen Investitionen - in mehren EU-Staaten ist dies Praxis. Korruptionsjäger befürchten Missbrauch - auch in Österreich.

Schlange stehen vor Grenzen? Lästige Fragen beantworten? Am freien Reisen in der EU gehindert werden? Mitnichten – zumindest nicht für jene reichen Nicht-Europäer, die sich mit genügend Geld ihren freien Eintritt in die Europäische Union oder gar einen EU-Pass  kaufen können. „Aufenthaltsrecht mittels Investmentprogramm“ nennt sich das Geschäftsmodell, das zwölf  EU-Ländern jährlich Milliardeneinnahmen beschert und meist vermögenden Russen und Chinesen freien Eintritt in die EU ermöglicht.
Ein Schengen-Visum gefällig? Am billigsten zu haben in Lettland, Griechenland, Belgien und Malta, wo mit einer Investition ab 250.000 Euro  in ein Geschäft oder in eine Immobilie das gewünschte Visum binnen spätestens zwei Monaten legal über den Tisch wandert. Keinen einzigen Tag muss man sich dafür in diesen Staaten tatsächlich aufhalten. Für  ihre Käufer haben diese „goldenen Visa“ schließlich meist einen ganz anderen Wert: Freies Reisen in der EU.
Die Rote Karte für diese umstrittene Regelung gibt es aus Brüssel nicht. Pass- und Visaangelegenheiten liegen in der Kompetenz der Nationalstaaten. Die EU-Kommission, die noch heuer einen Bericht über die Praxis der „Golden Visa“ vorlegen wird, hat keine  Notbremse. Nicht erst seit die Rufe nach besseren Kontrollen laut wurden,  wer in die EU einreisen darf, nimmt jedoch „Transparency International“ die Programme unter die Lupe. Eindringlich forderte die Organisation  Anfang März die EU erneut auf, die Vorgänge genauer zu beobachten: Für den Schutz der europäischen Grenzen sei dies unerlässlich – und ebenso für den Kampf gegen die Korruption.

Pass im Schnellverfahren - auch in Österreich

In drei EU-Staaten ist es sogar möglich,  im Schnellverfahren und mit genügend Geld, einen Pass zu erwerben: Malta, Zypern und – Österreich. Zwei Millionen Euro kostet ein Pass in Zypern, binnen sechs Monaten hält ihn der neue Besitzer in den Händen. Sonstige Auflagen : keine. In Österreich sind die Hürden höher. Welche Summen aufgebracht werden müssen, ist geheim. Doch das Prinzip ist ähnlich, auch wenn verlangt wird, dass mit dem Geld Arbeitsplätze in Österreich geschaffen oder gesichert werden müssen: Gegen ausreichend Geld kann es den Eintritt in die EU geben. „Österreich sollte  unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, dass man sich hierzulande Staatsbürgerschaften kaufen kann“, warnt Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International – Austrian Chapter (TI-AC).
Konkret handelt es sich um eine Ausnahmeregelung im ansonsten restriktiven Staatsbürgerschaftsrecht:  Wer „außerordentliche Leistungen im besonderen Interesse der Republik vorzuweisen hat“, darf im Schnellverfahren auf einen österreichischen Pass hoffen.  „Hier fallen beinahe alle Kriterien weg, die für alle anderen Antragsteller gelten“, schildert  der Politologe und Staatsbürgerschaftsrechts-Experte Gerd Valchars dem KURIER: „Der Antragsteller muss nie in Österreich gelebt haben, er muss keine Deutschkenntnisse haben, es gilt kein Einkommenskriterium und er muss seine alte Staatsbürgerschaft nicht zurücklegen. Nur die Unbescholtenheit bleibt als Voraussetzung bestehen.“ Valchars sieht darin ein „großes Gerechtigkeitsproblem gegenüber allen anderen Eingebürgerten. Vor allem aber, warnt Valchars, sei das System „missbrauchs- und korruptionsanfällig“.

"Einfallstor für Korruption"

85 Männer und 44 Frauen wurden auf diesem Weg in den vergangenen vier Jahren in Österreich eingebürgert, die Mehrheit von ihnen Spitzensportler. Das Problem dabei: Die Regierung entscheidet im Alleingang. „Für die Öffentlichkeit ist nicht sichtbar, welche Argumente für oder gegen die Einbürgerung einer Person sprechen“, sagt Franz Fiedler, Ehrenpräsident von IT-AC. Und so sei es genau diese Intransparenz, die ein „Einfallstor für Korruption“ werden könnte. Und der frühere Präsident des Rechnungshofes erinnert an die „part-of the game“-Affäre: Der frühere freiheitliche Politiker Uwe Scheuch war schuldig gesprochen worden, weil von einem Mittelsmann eines russischen Investors als Gegenleistung für einen Pass eine Parteispende gefordert hatte.
Seit dem Vorjahr werden  die Namen der  Neo-Österreich mit „goldenem Pass“ publik gemacht. Doch die Namen, meint Franz Fiedler seien nicht so wichtig.  „Entscheidend ist vielmehr zu wissen: Was hat die Person bisher gemacht, welchen Bezug hat sie zu Österreich, welche Maßnahmen will sie in Zukunft ergreifen?“ Nur die Transparenz des Verfahren verringere die Gefahr, so Fiedler, „dass Missbrauch betrieben wird“.
Wo es hinführen könnte, zeigt sich auf Zypern. Dort ist  in den vergangenen Jahren eine regelrechte Pass-und Visa-Industrie entstanden. Vier Milliarden Euro hat die Insel im Vorjahr damit eingenommen – mehr aus den Erlösen des Tourismus. Als attraktivstes Land für den schnellen Erwerb von EU-Pässen bewarben internationale Agenturen bis zum Vorjahr Ungarn. 2017 wurde das Golden-Visa-Angebot in Ungarn  allerdings gestoppt.

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