2,80 Euro statt 20 Cent
„Wissen Sie, wie viel Gas wir im Jahr verbrauchen?“, fragt Luciano Gambaro. Er ist Vorsitzender des Verbands Promovetro Vetro Artistico di Murano, in dem sich die 50 wichtigsten Marken der hiesigen Glaskunst zusammengetan haben. Das „wir“ stehe für alle Glaskunstwerkstätten auf der Insel. „An die 10 bis 14 Millionen Kubikmeter im Jahr.“
Die Glasherstellung verschlingt eine enorme Menge an Gas. Die dadurch entstehenden Kosten wurden nicht erst wegen der aktuellen hohen Preise zum Thema. Schon vor Jahren hatte man sich deshalb zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Die Firmen hatten „Lieferverträge zu einem fixen Preis über ein oder zwei Jahre“, sagt Gambaro. Mitte 2021, als die Gaspreise rapide zu steigen begannen, versuchte man, einen neuen Liefervertrag auszuhandeln, jede Mühe war aber umsonst. „Im September 2021 zahlten wir noch 20 Cent pro Kubikmeter, im August 2022 waren es 2,80 Euro. Ein Wahnsinn“, sagt Gambaro. „Und das alles nur wegen der Spekulanten!“
Das Problem bei den Öfen sei, dass sie nicht einfach abgestellt und wieder aufgedreht werden könnten. Sie müssten ständig in Betrieb sein.
Hilferuf an Politik
„Wir mussten etwas unternehmen“, sagt Gambaro. „Ohne Hilfe war es für uns unmöglich, die Energiekosten zu stemmen.“ Da man sich des Werts des Kunsthandwerks bewusst war, wandte man sich an die Politik, zuerst an die regionale und dann an Rom.
Die zeigte sich hilfsbereit. Von Region und Regierung bekam der Verband bis Juli 2022 acht Millionen Euro, dazu kamen Steuergutschriften. Für das dritte und vierte Quartal wurden weitere Steuergutschriften zugesagt. „Es geht ja hier nicht nur um den wirtschaftlichen Wert“, sagt Gambaro. „Historisch und kulturell betrachtet ist der Wert unserer Arbeit unschätzbar.“
Perlen für Ureinwohner
Wie unschätzbar, erzählt der 40-jährige Alessandro Moretti. Seine Firma Costantini Glassbeads hat sich auf Glasschmuck spezialisiert, zu seinen Kunden zählen sogar amerikanische Ureinwohnerstämme. „Diese haben es auf die sogenannten Glaskurzwaren, winzige Perlen, abgesehen, die nicht mehr produziert werden und von denen wir die letzten haben“, erzählt er dem KURIER. „Die Perlen verwenden sie für ihren traditionellen Schmuck.“
Was in Murano entsteht, sind Unikate. Die Produkte, die aus den Glasbläsereien der Verbandsmitglieder kommen, haben alle Gütesiegel: Die Vasen, Schalen und alle anderen Gegenstände wurden zu 100 Prozent in Murano kreiert. Das Murano-Glas zählt zu den „eccellenze“, wie man in Italien gerne sagt, also den herausragenden Produkten „made in Italy“.
Deren Förderung zählt wiederum zu den Prioritäten der neuen Regierung. Nicht umsonst wurde das Wirtschaftsministerium in „Ministerium der Unternehmen und für ,made in Italy‘“ umbenannt. Auch deswegen wurden vor Weihnachten fünf Millionen Euro an Unterstützung für die Glasbläser verkündet.
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