Gipfeltreffen in Salzburg: Ringen um die Frontex-Stärkung

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk, britische Premierministerin Theresa May und Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (v.l.n.r.)
Die Staats- und Regierungschef wollen einen Außengrenzschutz gegen illegale Migration aufbauen.

Beim EU-Gipfel im Juni wurde der Ausbau von Frontex beschlossen, beim informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs, das heute, Mittwochabend, in Salzburg beginnt, wird die Forderung nach einem besseren Schutz der EU-Außengrenzen nochmals von allen Teilnehmern bekräftigt.

Bundeskanzler Sebastian Kurz verlangt das seit vielen Monaten, bei seiner Tour de capitales versicherte er sich nochmals der Zustimmung einiger mächtiger Regierungschefs (Merkel, Macron), Italien legt sich aber quer.

Beim Abendessen wird die Migrationsfrage das Hauptthema sein. Der dabei wichtigste Aspekt: Eine verstärkte Sicherung der europäischen Außengrenzen, vor allem der Mittelmeerländer. Wie könnte diese aussehen? Wie wirksam kann sie überhaupt sein? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

  • Statt bisher 1600 sollen künftig 10.000 Mann ab 2020 bei Frontex, der EU-Grenzschutzagentur, eingesetzt werden. Werden sie die illegale Immigration, die ja deutlich zurückgegangen ist, bremsen können?

Der Druck auf die EU-Staats- und Regierungschefs, in der Migrationsfrage endlich konkrete Ergebnisse zu liefern, ist groß. Machbar scheint dies derzeit nur bei der Frage des Grenzschutzes: Ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, der nun in Salzburg diskutiert wird, sieht vor, die Frontex-Truppe massiv auszubauen und ihr viel größere Kompetenzen zu übertragen. Welche genau, ist aber noch unklar: Dürfen sie illegale Migranten abweisen oder nur die nationalen Beamten unterstützen? Darauf müssen sich sich die EU-Staaten erst noch einigen.

  • Werden also künftig Frontex-Soldaten den Dienst beispielsweise der italienschen Küstenwache verstärken oder ihn gar ablösen?

Genau daran hakt es. Einige EU-Staaten, darunter vor allem Italien und Ungarn, wehren sich vehement dagegen. Dass ausländische Beamte an ihren Grenzen Dienst tun, sehen sie als einen Eingriff in ihre nationale Souveränität. Ungarns Premier Viktor Orbán agiert gewohnt angriffig: „Wir verstehen uns besser auf den Grenzschutz als irgendwer in Brüssel. Die EU will einen Portierdienst einrichten, der die Einwanderung nicht stoppt, sondern lediglich managt.“

  • Wo, und ab wann soll dann dieser neue Grenzschutz ausgeführt werden?

Nur auf Wunsch und Anfrage der EU-Staaten wird Frontex Dienst tun. Gegen den Willen eines Staates können auch gar keine fremden Beamten entsendet werden. Das gilt auch für Drittstaaten: Fordern sie Frontex-Hilfe an, soll diese ermöglicht werden. Dies soll etwa bald in Albanien und Mazedonien der Fall sein. Die EU-Kommission nannte auch Serbien, die Regierung in Belgrad dementierte gestern heftig. Serbien wolle „keine Zone für die Flüchtlingsaufnahme sein“, sagte der Vize-Innenminister Zoran Lazarov.

  • Wie würde sich Österreich an der Aufstockung von Frontex beteiligen?

Die Bereitschaft gibt es. Laut einem internen Papier der EU-Kommission soll das Innenministerium bis Juli 2019 rund 200 Polizisten zur Verfügung stellen. Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal will die Zahl aber nicht bestätigen: „Eine genaue Zahl gibt es noch nicht.“ Diese hänge auch davon ab, was andere Länder wollen und bereit sind zu leisten.

  • Kommt eine Obergrenze für Asylwerber in der EU?

Nein. Diese Diskussion gibt es derzeit nicht, heißt es im Bundeskanzleramt.

  • Reichen 10.000 Frontex-Beamte überhaupt?

„Derzeit wird die ganze Migrationsfrage nur noch auf Grenzsicherung verengt“, gibt Elizabeth Collett zu bedenken. Die Direktorin des Migration Policy Institut Europe bezweifelt, dass 10.000 zusätzliche Beamte – abgesehen von den Seegrenzen – die „riesigen Landgrenzen“ Europas vollständig kontrollieren können. Auch dass diese bereits 2020 im Einsatz sind, sieht sie nicht als fix an. Dafür müssten alle EU-Staaten und das EU-Parlament den neuen Auftrag für Frontex vor den EU-Wahlen im Mai 2019 abgesegnet haben. „Eine sehr ehrgeizige Zeitvorgabe“, weiß Collett.

  • Aus Wien kam der Plan, die illegale Migration zu stoppen, indem Flüchtlinge nur noch außerhalb der EU um Asyl ansuchen dürfen. Wird dies in Salzburg diskutiert?

Diese Forderung wurde von der Mehrheit der EU-Staaten „als zu extrem“ zurückgewiesen, sagt Migrationsexpertin Collett. „Aber in der neuen politischen Landschaft Europas halte ich nichts mehr für unmöglich.“ Abgesehen von völkerrechtlichen Hindernissen wäre es derzeit technisch nicht durchführbar. Kein Staat in Afrika hat sich bisher bereit erklärt, „Anlandeplattformen“ für zurückgeschobene illegale Migranten und Asylsuchende zu errichten. Und selbst auf allerkleinstem Niveau, bei einem „Experiment in Niger“, zeige sich laut Collett, „wie schwierig das ist“. Dort betreut das UN-Flüchtlingshilfswerk rund 1500 Menschen, die in der EU um Asyl ansuchen dürfen. Bisher wurden 339 Zusagen bewilligt.

EU-Treffen: Salzburg ist bereit

Kommentare